Herr Riklis, Ihr Film »Lemon Tree« hat auf der Berlinale den Panorama-Publikumspreis gewonnen. Es geht dort um die Palästinenserin Salma, deren Nachbar, der israelische Verteidigungsminister, ihre Zitronenbäume abholzen lassen will. Trotz des Themas bestehen Sie darauf, dass es kein politischer Film ist.
riklis: Ja, weil er in erster Linie eine Geschichte über Menschen erzählt, die in einer politischen Situation gefangen sind, deren Leben durch politische Entscheidungen beeinflusst und verändert wird. Ich habe ja nicht die Absicht, mein Publikum zu erziehen. Ich sage nur: Schaut, hier habt ihr Fakten und Emotionen, lasst euch darauf ein. Sonst wäre es ziemlich schwierig, auch jene zu überzeugen, die schnell aufstöhnen: »Nein, bitte nicht schon wieder so ein linker Film mit Botschaft!«
Deshalb haben Sie, trotz des »schweren« Themas, den Film unterhaltsam und humorvoll angelegt.
riklis: Humor ist wahrscheinlich das beste Mittel, um Abneigung zu überwinden. Ich saß bei der Weltpremiere mit tausend Zuschauern im Zoo-Palast. Das war das allererste Mal, dass ich den Film mit Publikum sah. Als dann tausend Zuschauer lachten, war ich zufrieden. Ich bin sehr vom italienischen Kino beeinflusst. Dort springt man mühelos zwischen Tragödie und Komödie hin und her. So ist das Leben.
Und das Leben ist kompliziert. Deswegen nimmt der Film nicht einseitig Stellung, sondern zeigt auch das Dilemma des Ministers.
riklis: Genau. In einer Szene sagt der Minis-ter zu seiner Frau: »O.K., dann holzen wir die Zitronenbäume eben nicht ab! Aber was passiert dann? Was machen wir denn, wenn sie kommen und auf uns schießen?« Und Mira, der Frau des Ministers, fehlen die Worte. Weil es keine Antwort gibt! Es wäre doch dumm und naiv, wenn man sagen würde: »Na ja, wenn sie kommen, dann müssen wir eben mit ihnen reden!« So läuft das nicht. Im Nahen Osten haben wir eine Lose-Lose-Situation. Beide Seiten haben Recht und zugleich Unrecht.
Auch in früheren Filmen wie »Cup Final« und »Die syrische Braut« haben Sie stets versucht, beide Seiten zu zeigen, Israelis und Palästinenser. Warum gibt es keine palästinensischen Filmemacher, die das auch tun und auch für die israelische Seite Verständnis zeigen?
riklis: Es gibt tatsächlich keinen einzigen Film eines palästinensischen Regisseurs, der das Thema so behandelt wie ich oder einige meiner israelischen Kollegen es tun. Die Herangehensweise der palästinensischen Regisseure ist sehr militant. Es gibt da einfach viel böses Blut. Vor vier oder fünf Jahren wurde in Istanbul einer dieser europäischen Work-shops veranstaltet, zu denen auch Leute aus Israel, Marokko und so weiter eingeladen werden. Wir waren drei Israelis. Und dann waren da noch zwei Palästinenser, von der Westbank. Sie haben kein einziges Wort mit uns geredet! Selbst wenn ich palästinensische Regisseure treffe, die ich sogar als Freunde bezeichnen würde – wir sehen uns manchmal auf Festivals –, dann reden sie nie Hebräisch mit mir. Obwohl sie es sehr wohl beherrschen. In der Öffentlichkeit wäre das ja noch verständlich, aber wenn ich sie privat sehe, ist es genauso. Aber ich bin sicher, dass sich das alles eines Tages ändern wird.
Wie war das in Berlin? Haben da arabische Vertreter mit Ihnen gesprochen?
riklis: Ja, Reporter von Al Jazirah, Abu Dhabi TV und einem marokkanischen Fernsehsender haben mich interviewt. Aber syrische, libanesische oder ägyptische Journalisten? Die kommen nicht zu mir. Auf der Berlinale hörte ich, dass jemand darüber sprach, meinen Film in Ägypten herauszubringen. Der dachte allerdings, »Lemon Tree« sei ein arabischer Film. Als er hörte, dass es ein israelischer Film ist, sagte er: »Oh nein, dann können wir das nicht machen. Die werden uns umbringen!« Ich fragte, wer ihn dann umbringen würde. »Keine Ahnung«, sagte er.
Und wie sieht es mit den arabischen Kinogängern in Israel aus?
riklis: Wir haben einmal »Die syrische Braut« in Nazareth vorgeführt, extra mit arabischen Untertiteln. Wer ist gekommen? Niemand.
Niemand?
riklis: So gut wie niemand. Sehen Sie, allgemein gesprochen gibt es zwei Arten von Reaktionen auf arabischer Seite. Die einen kommen zu mir und sagen: »Wir respektieren Ihre Ehrlichkeit und Freundlichkeit. Obwohl Sie Israeli sind.« Sehr nett! Und dann gibt es andere, die sagen: »Wer gibt Ihnen eigentlich das Recht, uns zu repräsentieren?« Dann sage ich immer: »Ich repräsentiere weder Israel noch euch. Ich repräsentiere mich selbst! Und ich mache Filme.«
Immerhin soll der syrische Staatspräsident Assad ein Fan von Ihnen sein.
riklis: Ja, ein Freund von mir war in Damaskus Gast eines Mitarbeiters von Präsident Assad. Und dieser Mitarbeiter erzählte ihm, dass Assad »Die syrische Braut« auf DVD gesehen hat. Assad liebt den Film.
Mit dem Gewinner des Panora-Publikumspreises der Berlinale 2008 sprach
Christian Buckard.