von Ralf Balke
»Keine Entfernung ist zu kurz, als dass ein Israeli sie nicht mit dem Auto zurücklegen würde«, lästert Hanita Admoni aus Herzlya Pituach, während sie mal wieder auf dem Weg zum nahe gelegenen Shoppingcenter vor den Toren der Stadt Herzlya im Stau steht. »Israelis und Autos – das ist schon fast eine amouröse Beziehung«, sagt die 43-jährige Mutter zweier Kinder beim mühseligen Kurvendrehen mit ihrem alten zerbeulten Mazda 121 im Parkhaus. Und wer einen Blick auf die fast rund um die Uhr verstopften Straßen der israelischen Städte wirft oder zum Ausgang des Schabbat auf der restlos überfüllten Küstenautobahn von Haifa nach Tel Aviv gemeinsam mit zigtausenden anderer Wochenendausflügler seine Leidensfähigkeit getestet hat, möchte ihr rechtgeben.
Aber auch die Zahlen sprechen eine deutliche Sprache. Laut dem Branchenverband Israeli Vehicle Importers Association (IVIA) konnten in den ersten sechs Monaten dieses Jahres 92.492 neue Fahrzeuge ausgeliefert werden. Das sind satte 26 Prozent mehr als im Vergleichszeitraum des Vorjahres. Bleibt es bei diesem Tempo, könnte das Jahr 2007 mit 275.000 Verkäufen ein neues Rekordjahr werden, was aber wohl eher unwahrscheinlich ist. Branchenkenner halten daher 180.000 für eine realistischere Zahl. In normalen Jahren sind es durchschnittlich rund 150.000 Fahrzeuge, die in Israel neu auf die Straßen rollen. »Ein Grund, warum der Absatz so dramatisch anzog, ist der Libanonkrieg«, erklärt Dan Orenstein, Importeur von Hyundai-Wagen aus Südkorea. »Im Sommer 2006 brachen die Verkäufe aufgrund der unsicheren Lage um 18 Prozent ein. Und die werden gerade nachgeholt.« Weitere Faktoren sind niedrigere Steuern, ein robustes Wirtschaftswachstum und der dadurch gestiegene Lebensstandard.
Orenstein kann zufrieden sein. Denn in kürzester Zeit schaffte es die koreanische Marke von Null auf den zweiten Platz in der israelischen Zulassungsstatistik und einen Marktanteil von 14,5 Prozent. Platzhirsch ist seit einigen Jahren Mazda. Auf das Konto der Japaner im Besitz von Ford gehen über 16 Prozent aller Verkäufe. Mit 13,8 Prozent befindet sich Toyota auf dem dritten Rang. Der israelische Automarkt ist also fest in asiatischer Hand. Europäische Hersteller wie Volkswagen, Peugeot oder Renault haben aufgrund des starken Euros und den damit für sie ungünstigen Wechselkursen einen schweren Stand in Israel.
Bis Ende der 80er-Jahre sah das noch völlig anders aus. Weil die Japaner den arabischen Boykott fürchteten, beherrschten die Europäer den Markt. Mit einer Ausnahme: Subaru. Der zu Fuji Heavy Industries gehörende Anbieter verkaufte seine Autos nur innerhalb Japans. Israel wurde 1969 Subarus erster Exportmarkt. Und weil keine anderen Japaner Konkurrenz machten, wurden die preisgünstigen Wägelchen rasch ein Renner. »Der Subaru war lange Zeit der israelische Standardwagen und das Maß aller Dinge«, so Chaim Ferschtman und Neil Gandal von der Universität Tel Aviv in ihrer Studie über den Effekt des arabischen Boykotts auf den israelischen Automarkt.
Für eine kleine Überraschung sorgten aber jüngst Hybrid-Fahrzeuge wie der Toyota Prius, die eine Kombination aus konventionellem Verbrennungsmotor und Elektromotor als Antriebsquelle benutzen. Fanden sich im Jahr 2004 gerade einmal zehn Käufer für den Wagen mit den zwei Herzen, so waren es schon 130 im darauffolgenden Jahr und 381 im Jahr 2006. Mindestens 30.000 Euro muss man auf den Tisch legen, um ein solches Auto besitzen zu können, und das ist für Mosche Normalverbraucher einfach zu viel. Doch um den Absatz der etwas umweltfreundlicheren Wagen anzukurbeln, senkten die Finanzbehörden die Steuern, die bei manchen Pkws bis zu 84 Prozent ihres Wertes ausmachen können, auf für israelische Verhältnisse sensationell günstige 30 Prozent. Ähnliche Steuersätze gelten ebenfalls für Autos, die über einen Flüssiggasantrieb verfügen. Der Grund für die niedrigeren Abgaben: Aufgrund des gewaltigen Verkehrsaufkommens leidet die Luftqualität in urbanen Ballungsgebieten. Laut Umweltbehörden lassen sich jährlich rund 1.500 Sterbefälle allein im Großraum Tel Aviv auf die katastrophale Luftverschmutzung zurückführen.
Doch der Verkehr dürfte bald weiter zulegen. Gerade erst wurde eine interministerielle Kommission gegründet, die den Markt für mehr Wettbewerb öffnen soll und dabei auch die hohen Steuern unter die Lupe nehmen wird. Wenn dadurch die Preise purzeln, können sich bald noch mehr Israelis einen Wagen leisten. Vielleicht werden dann zwischen Mittelmeer und Jordan auch mehr S-Klasse-Mercedesse an den Mann gebracht. Denn davon wurden im vergangenen Jahr »nur« 195 verkauft.