Rebecca und Gil sind Ibrahims Einladung gefolgt. Sie trinken Tee bei ihm im Geschäft. Apfeltee mit einem Hauch von Zimt bot der junge Mann den Touristen an. Und da die beiden Israelis schon im Laden sind, kaufen sie zwei Gläser Orangenmarmelade und Honig. Mehr möchten sie nicht durch die Gassen tragen. »Das macht keinen Spaß bei 40 Grad im Schatten.«
In der Altstadt von Antalya reiht sich ein Geschäft neben das andere. Teppiche, Lederwaren, Schmuck, Gewürze, Süßigkeiten: Die Auslagen sind ganz auf Reisende aus dem Ausland ausgerichtet. Vor den Türen sitzen die Händler, warten auf Kundschaft und vertreiben sich die Zeit beim Backgammonspiel. Nähern sich Touristen, lädt man sie auf ein Glas Tee ins Geschäft.
Besucher wie Rebecca und Gil sind rar in diesem Sommer. Nicht nur in Antalya, auch in anderen Urlaubsregionen der Türkei sind die Buchungen aus Israel zurückgegangen. Das Wegbleiben israelischer Gäste spüren die Geschäftleute und die Tourismusbranche, denn bislang waren sie eine verlässliche und wachsende Größe. Vergangenes Jahr verbrachten mehr als eine halbe Million Israelis ihre Ferien in der Türkei. Seit dem Krieg in Gasa hat sich das geändert.
Als Reaktion auf Israels Militäroffensive hatten manche Hoteliers und Händler Anfang des Jahres an Eingängen Zettel angebracht, auf denen in englischer Sprache zu lesen war, dass israelische Gäste unerwünscht seien. Das sprach sich herum und blieb nicht ohne Folgen: Viele Israelis stornierten ihre Reservierungen und buchten auf Ziele in Zypern oder Griechenland um. Im ersten Quartal des Jahres sank die Zahl israelischer Touristen in der Türkei um 60 Prozent. In den Jahren zuvor hatte die Branche Zuwächse von 40 Prozent verzeichnet.
Als Hoteliers und Reiseveranstalter Alarm schlugen, bemühte sich das türkische Tourismus-Ministerium, den Schaden zu begrenzen und organisierte im Mai eine Reise nach Israel. Dort traf sich eine Delegation aus Mitgliedern des Hotelier-Verbands und der Vereinigung der Reiseveranstalter zu Gesprächen mit der israeli- schen Tourismusbranche und Medienvertretern. Wichtigste Signale, die ausgesendet werden sollten: Die Türkei bleibt ein attraktives Reiseland, und: Israelische Touristen müssen sich in der Türkei nicht um ihre Sicherheit sorgen. Die Marketing-Offensive scheint zu wirken. Denn inzwischen steigen die Buchungszahlen wieder.
Ibrahim, 27, der sich mit seinem gestutzten Bart als praktizierender Muslim zu erkennen gibt, macht kein Geheimnis daraus, dass während des Gasa-Kriegs auch an seinem Schaufenster die palästinensische Fahne hing. »Das haben hier viele gemacht, wir waren emotional sehr aufgewühlt.« Er habe absolut nichts gegen Juden, betont er. »Schließlich verdiene ich mein Brot mit ihnen.«
unverschämt Doch es sind auch andere Stimmen zu hören. Mancher Hotelier und Geschäftsinhaber zeigt sich trotzig und stolz. »Dann kommen sie halt nicht, die Juden. Wir werden schon nicht verhungern«, ist zu hören. Viele machen aus ihrer antisemitischen Einstellung kein Geheimnis und geben mit Inbrunst Vorurteile als Tatsachen wieder. »Die Juden sind unverschämt beim Handeln«, schimpft ein Lederwarenhändler und schüttelt den Kopf. »Von ihnen weiß man ja, dass sie geizig sind.« Und ein Juwelier erzählt, dass er israelische Touristen auffordere, sein Geschäft zu verlassen, wenn sie anfangen zu handeln. »Ich mag keine Juden«, sagt er. Nicht alle, die die Gäste aus Israel ablehnen, lassen sich das so deutlich anmerken. Schließlich geht es ums Geschäft.
Den Eindruck, unerwünscht zu sein, hatten Gil und Rebecca während ihres Urlaubs nur einmal. »Es gab Kellner, die uns sehr unfreundlich bedient haben«, sagen sie, betonen aber, dass sie sich in der Türkei sicher und wohlfühlen. Das Paar hat einen Pauschalurlaub im 20 Kilometer östlich von Antalya gelegenen Kreml Palace gebucht. Die Ferienanlage, ein Nachbau des russischen Regierungssitzes in Moskau, liegt an einem Sandstrand und bietet Platz für mehr als 1.000 Gäste. Die meisten Touristen aus Israel verbringen in ähnlichen Anlagen – mit Strand, Pool und All-inclusive-Angeboten – ihren Urlaub.
Laut Umfragen ist bei israelischen Türkei-Touristen das Interesse an Land und Leuten eher gering. Gerade mal fünf Prozent kommen, um die Kultur zu entdecken. Vielmehr sind »billig und nah« die Gründe, die man am häufigsten hört. Knapp eine Stunde dauert der Flug von Tel Aviv nach Antalya. Da lohnt es sich, für ein verlängertes Wochenende hinzufliegen – was viele Israelis gemacht haben in der Vergangenheit und, wenn nichts dazwischenkommt, auch wieder tun werden, so die Prognosen türkischer Reiseveranstalter. Canan Topçu