von Sabine Brandes
In weniger als einer Stunde ist man da. Zum verlängerten Wochenende im Fünf-Sterne-Hotel. Flug, Unterkunft, Vollpension – für kaum mehr als 200 Euro. Da griffen israelische Urlauber gern zu. In Massen strömten sie in die Ferienorte wie Antalya und Alanya, räkelten sich in Bikini und Badehose in der Sonne der Türkei. Bis jetzt. Nach dem Eklat zwischen Präsident Schimon Peres und dem türkischen Premier Tayyip Erdogan beim Weltwirtschaftsgipfel in Davos sind die Israelis sauer und stornieren ihre Reisen.
»Stimmt«, bestätigt Alon Siwan, Geschäftsführer des Last-Minute-Reisebüros Wallatours. »Es gibt eine Menge Leute, die absagen. Vor allem aber werden weniger Reisen in die Türkei gebucht.« Und das, wo normalerweise im Februar und März besonders viele auf Schnäppchenjagd für die kommenden Pessachferien gehen. »Für die diesjährige Saison sieht es gar nicht gut aus. Bislang haben wir 30 bis 40 Prozent weniger Buchungen als im Vorjahr, es könnte aber noch schlimmer werden. Es wird ein massiver Verlust.«
In den vergangenen Jahren hatte sich die Türkei für Israelis zum Reiseziel Nummer eins entwickelt. Mittlerweile sind fast ein Viertel aller Charterflüge ersatzlos gestrichen. Eine Anordnung der türkischen Be-
hörden, dass es bewaffnetem Sicherheitspersonal aus Israel plötzlich nicht mehr gestattet sei, den Flughafen von Antalya zu betreten, machte alles nur noch schlimmer. Kurzerhand untersagte Jerusalem sämtlichen israelischen Airlines, den Badeort anzufliegen. Ein Sprecher der heimischen Chartergesellschaft Israir ließ verlauten, dass diese neueste Krise sicher bis Pessach gelöst sein wird.
Israelis denken politisch. Überzeugung wiegt offenbar schwerer als ein noch so niedriger Preis. Selbst als die türkischen Veranstalter ein Angebot aus dem Hut zauberten, das nicht mehr zu unterbieten war, griff fast niemand zu. »Sogar vier Tage im Top-Hotel für 199 Dollar will au-
ßer einigen israelisch-arabischen Kunden niemand mehr haben«, sagt Reiseexperte Siwan und schüttelt den Kopf. So ganz kann er die große Verärgerung seiner Landsleute nicht verstehen. »Es ist doch eine rein politische Angelegenheit, etwas zwischen Regierungen. Ich finde diese Art von Reiseboykott ein wenig übertrieben.« Aus vielen Gesprächen mit seinen Kunden weiß er, dass es nicht um Angst vor Antisemitismus in der Türkei ginge, sondern schlicht darum, dass die Menschen verärgert sind.
»Ich dachte immer, in den Beziehungen unserer Länder passt kein Blatt dazwischen, so eng sind sie«, sagt Jaffa Schany, die jedes Jahr mindestens einmal mit ihren Freundinnen in die Türkei flog. »Zum Ausruhen, Einkaufen, um die Zeit zu genießen und zu wissen, man ist nicht bankrott, wenn man nach Hause zurückkehrt.« Auch in diesem Frühling hatte die Angestellte aus Petach Tikwa einen viertägigen Badeurlaub an der türkischen Riviera geplant. Gemeinsam mit einer Freundin geht es statt dessen für eine dreitägige Städtereise nach Budapest. Zwar werde das teurer sein als geplant, in die Türkei will sie dennoch auf keinen Fall. »Ich bin nicht nur von Erdogan zutiefst enttäuscht, sondern auch von der türkischen Bevölkerung. Jahrelang haben wir unser Geld hingetragen – und jetzt das. Momentan kann ich einen Ur-laub dort überhaupt nicht mit meinem Gewissen vereinbaren. Die Türkei ist für mich erst einmal tabu.«
Während dessen appellieren türkische Reiseveranstalter und Hoteliers an die ehemaligen und potenziellen Gäste, ihre Reisen nicht zu stornieren und wieder zu buchen. »Hier Urlaub zu machen hat nichts mit Politik zu tun, es gibt keine Sicherheitsprobleme. Wir sind doch gute Freunde. Israelis sind bei uns immer willkommen«, lautet die Gemeinschaftsbotschaft verschiedener Unternehmer aus den Ferienressorts. Dem Wallatours-Ge-
schäftsführer tun seine Kollegen im Land am Bosporus leid. Sie seien darüber am Boden zerstört und täten alles, um die Israelis zurückzugewinnen.
Siwan müht sich, die Nachricht an seine Kunden weiterzuleiten. Viel Hoffnung hat er momentan nicht. »Israelis haben ihren eigenen Kopf, und wenn sie nicht wollen, dann wollen sie nicht.« Allerdings ist er überzeugt, dass spätestens in einem Jahr, vielleicht schon im kommenden Sommer, alles beim Alten sein wird. Damit er zwi-
schenzeitlich seine Kunden nicht gänzlich verliert, hat er sich, wie viele seiner Kollegen aus der Tourismusbranche, kurzerhand um Alternativreisen gekümmert. Der Großteil der Alles-inklusive-Pakete, die Israelis in der Regel für einen Kurzurlaub bevorzugen, geht auf griechische Inseln, nach Kreta oder Rhodos. Doch auch Städtetrips nach Budapest, Prag und Barcelona werden immer häufiger bestellt.
Einen Gewinner der Krise gibt es auch: Er heißt Eilat, israelische Sonnenstadt am Roten Meer. Hotelbetreiber, Restaurantbesitzer und Fremdenführer freuen sich, noch mehr ihrer Landsleute während der Feiertage beherbergen zu dürfen. Bislang verzeichneten die Anbieter einen Anstieg der Verkäufe um zehn Prozent. Und es scheint, als würde diese Zahl bis Pessach noch weiter steigen.