»Anne« und die anderen
Antisemitismus gehört an manchen Schulen zum Alltag
von Johannes Boie
Jüdische Schülerinnen und Schüler werden an Berliner Schulen oft wegen ihrer Religionszugehörigkeit drangsaliert. Vielfach treten dabei muslimische Jugendliche aus der Türkei oder arabischen Ländern als Täter in Erscheinung. Das jüngste Beispiel: eine 14jährige jüdische Jugendliche, die an der Lina-Morgenstern-Oberschule in Kreuzberg unterrichtet wurde. Über mindestens neun Monate hinweg wurde die Schülerin, die von den Medien Anne genannt wird, permanent gemobbt und mehrfach geschlagen. Die Tätlichkeiten erfolgten aus einer Gruppe von Mitschülern heraus, die den Gewalttaten untätig zusahen. Erst nachdem Polizeibeamte das Mädchen auf seinem Schulweg begleitet hatten, konnten die Täterinnen dingfest ge- macht werden. Ein palästinensisches Mädchen wurde im Zuge der Ermittlungen von der Schule verwiesen. Gegen sie wird wegen Körperverletzung ermittelt. Mit den anderen Täterinnen seien »normenverdeutlichende Gespräche« geführt worden, heißt es bei der Polizei. Die Beamten konnten die Geschehnisse im nachhinein in zwölf Anzeigen zusammenfassen, fünf der Anklageschriften beinhalten Körperverletzung, Beleidigung und Nötigung.
Besonders schlimm sollen die Nötigungen während der Eskalation des Nahost-Konfliktes im Sommer dieses Jahres gewesen sein, berichtet die Berliner Zeitung. Michael Rump-Räuber vom Landesinstitut für Schule und Medien – einer Fortbildungsstelle für Lehrer – bestätigt, daß die Situation im Nahen Osten oft einen direkten Einfluß auf das Miteinander der Berliner Schüler hat. Die arabischstämmigen Schüler seien durch aggressive Medien aus ihren Heimatländern, die in Deutschland problemlos zu beziehen sind, beeinflußt. Je angespannter die Situation vor Ort sei, desto höher werde die Wahrscheinlichkeit von Konflikten zwischen muslimischen und jüdischen Schülern.
Viele jüdische Schülerinnen und Schülern haben nach ähnlichen Erfahrungen bereits auf eine jüdische Schule gewechselt. »Wir haben pro Klasse mindestens einen Schüler, der wegen antisemitischer Vorfälle zu uns gekommen ist«, sagt die Schulleiterin der Jüdischen Oberschule, Barbara Witting. Gemeindechef Gideon Joffe befürwortet den Wechsel der Jugendlichen. Joffe sagte der Berliner Zeitung, der Besuch einer jüdischen Schule helfe den Jugendlichen, ein normales jüdisches Bewußtsein erhalten.
Mark B., ein jüdischer Schüler aus Berlin-Mitte, berichtet von permanentem Mobbing an seiner alten Schule, einem Gymnasium im Wedding. »Moslemische Jugendliche haben permanent Judenwitze gemacht, alle haben gelacht. Auf der Klassenfahrt wurde in Sachsenhausen Fußball gespielt.« Seinen ehemaligen Lehrern an dem Gymnasium im Wedding seien die Probleme egal gewesen. »Die fanden die Witze O. K.«
»Es gibt in Berlin in der Tat Lehrer, die in der Tradition der DDR bis heute noch antizionistische Vorurteile haben. Die liegen dann auf einer Linie mit den arabischen Schülern«, bestätigt Michael Rump-Räuber. Für Mark B. ist damit vorerst Schluß. Der 16jährige ist dem Rat des Gemeindechefs gefolgt und besucht jetzt die Jüdische Oberschule.
Gideon Joffe hat übrigens am vergangenen Sonntag auch die 14jährige »Anne« beim Tag der offenen Tür durch die Jüdische Oberschule geführt. Am Montag und Dienstag besuchte sie dort schon einmal probeweise den Unterricht.