»Es ist nicht fair«, seufzt Margalit Riffkin. »Die Entscheidung, wer der nächste amerikanische Präsident ist, wird unser Leben mehr beeinflussen als das Leben der Amerikaner. Dennoch wählen wir nicht mit.« Die Sportlehrerin aus Jerusalem bringt ein Gefühl zum Ausdruck, das viele ihrer Landsleute teilen: Für Bürger des jüdischen Staates sind die US-Präsidentschaftswahlen kein abstraktes Spektakel, sondern gehen sie direkt an. Schließlich sind die Vereinigten Staaten Israels einzige Schutzmacht, die im Ernstfall wirklich helfen kann. »Für Israelis«, bemerkt Eytan Gilboa, Amerikaexperte an der Bar-Ilan-Universität, »sind amerikanische Präsidentschaftswahlen keine Außen-, sondern Innenpolitik.«
Die Lieblingsbeschäftigung der israelischen Medien ist es, die Einstellung der Kandidaten zu Israel und zur Nahostpolitik auszuleuchten. Als der republikanische Präsidentschaftskandidat John McCain Israel in der vergangenen Woche besuchte, fand jede Äußerung aus seinem Munde den Weg in die Schlagzeilen. »McCain: So sollte niemand Purim verbringen müssen«, meldeten die Zeitungen, nachdem der Senator aus Arizona sich über den Kassam-Beschuss von Sderot empörte. Und selbst als McCain die nicht gerade sensationelle Ansicht von sich gab, iranische Aktivitäten seien besorgniserregend, wurde das in großen Lettern vermeldet.
Der Liebling der Israelis bleibt aber Hillary Clinton. Sie kennt man als israelfreundliche First Lady und Senatorin. Hätten Margalit Riffkin und ihre Landsleute zu entscheiden, wäre Clinton der Einzug ins Präsidialamt wohl sicher. Ganz anders bei Barack Obama: Er weckt bei vielen Israelis Sorgen. Die Affäre um seinen Freund und Pfarrer, Jeremiah Wright, der Verständnis für die Terrorakte vom 11. September und Unverständnis für den Irakkrieg bekundet hatte, wurde in Israel massiv aufgegriffen. »Ein explosiver Pfarrer«, titelte die Tageszeitung Yediot Ahronot. Obamas Forderungen nach einem Truppenabzug aus dem Irak und bedingungslosen Verhandlungen mit dem Iran flößen den Israelis ebenfalls kein Vertrauen ein. Schließlich bleiben seine moslemischen Wurzeln zumindest nicht unerwähnt: »Er hat vier Jahre in Indonesien gelebt, moslemische Erziehung genossen, und sein mittlerer Name ist Hussein«, berichtete Haaretz. Zudem sagte der Senator aus Illinois, nicht jeder, der den Likud nicht möge, sei antiisraelisch. An sich richtig, in der real existierenden Politik aber leicht als Einmischung in die inneren Angelegenheiten eines befreundeten Staates zu verstehen. Das löst allenfalls bei einer kleinen linken Minderheit der Israelis Zuspruch aus.
Experte Gilboa verweist darauf, dass Obamas Abstimmungsverhalten im Senat sehr israelfreundlich war. Dennoch, glaubt der Politologieprofessor, haften dem Kandidaten drei Nachteile an: seine Naivität, sein Milieu und sein Wunsch, die Welt zu verändern. »Ahmadinedschad«, so Gilboa, »verspeist ihn zum Frühstück«. Und das wäre für Israel ebenso schlecht wie ein von Teheran dominierter Irak. Dagegen bescheinigt Gilboa sowohl McCain als auch Clinton gute Israel-Verträglichkeit, mit einem leichten Vorteil für den republikanischen Ex-Marineflieger: »McCain weiß, was Krieg ist.« Das ist wichtig, um die Situation zu verstehen, in der Israel sich behaupten muss.
Wladimir Struminski
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