Der 1938 in Den Haag geborene Paul Binnerts pendelt zwischen Amsterdam, New York und Halle, wo er als Theaterregisseur, Krimi- und Stückeschreiber arbeitet. Mit Allein das Meer hat er bereits das zweite Theaterstück des israelischen Schriftstellers Amos Oz auf die Bühne gebracht. Das Stück, das 2005 im Neuen Theater in Halle uraufgeführt wurde, ist zum renommierten Theatertreffen in Berlin eingeladen worden. Dort wurde es letzte Woche vom Publikum gefeiert.
Herr Binnerts, was intessiert Sie an Oz?
binnerts: Schon »Black Box« von Amos Oz hat in meiner Bühnenfassung hervorragend funktioniert, weil dieser Briefroman ausgezeichnet zu meiner Auffassung von Theater paßt. Die Schauspieler können beliebig in die verschiedenen Rollen im Briefroman schlüpfen und wieder heraus. Das Stück wurde 2000 nach Bonn eingeladen, wo Oz es auch gesehen hat. Weil ihm mein Regiestil gut gefiel, hat er mich kurzerhand gefragt, ob ich nicht auch sein neues Buch »Allein das Meer« bearbeiten möchte.
Aber warum haben Sie das Stück ausgerechnet in Halle uraufgeführt, nicht gerade ein Ort, der für theatralische Grenzgänge berühmt ist?
binnerts: Na ja, auch in Amerika wollten sie das Stück nicht, weil die Befürchtung bestand, daß es anti-israelische Vorurteile schürt. Dort kommt eine Figur vor, die das Klischee von einem Juden ist. Er schachert mit Geld.
Wie Shakespeares Shylock?
binnerts: Genau. Letzte Woche habe ich es noch mal versucht, in New York unterzubringen. Diesmal hieß es dann, daß es ja kein Wunder sei, daß das Stück in Deutschland so großen Erolg habe. Die Deutschen seien ja schließlich so judenfreundlich.
Einige Leute behaupten, daß es Orte in Ostdeutschland gibt, die für Schwarze oder Juden lebensgefährlich sind. Wie sicher fühlen Sie sich als Jude in Halle?
binnerts: Das ist schon anders als in New York und Amsterdam, wo es eine sehr lange jüdische Tradition gibt. Trotzdem kam das Stück in Halle sehr gut an, obwohl dort zwei Figuren auf der Bühne stehen, die eindeutig als Juden gekennzeichnet sind. Selbst an der bei Amos Oz auftauchenden israelischen Realität gab es ein enormes Interesse. Es war eher so, daß es ein Erstaunen unter den Schauspielern gab, daß es auch in Israel so etwas wie Normalität gibt, die nicht von der Schoa oder Selbstmordattentaten überschattet wird. Es schien mir so, als sei das Thema Israel in der DDR tabuisiert worden. Am Ende waren die Schauspieler begeistert von dem Stück. Wie das Publikum das allerdings aufgenommen hat, kann ich nicht sagen. Die Kritik und die Begeisterung bezog sich ausschließlich auf ästhetische Aspekte.
Würden Sie denn auch mit Kippa zur Arbeit gehen?
binnerts: Von Feindlichkeit habe ich bislang nichts gespürt. Der anfängliche Argwohn bestand eher gegenüber etwas Neuem auf der Bühne. Halle jedenfalls ist keine »No-Go-Area«. Man fragt mich oft, ob ich Jude bin. Ich frage dann immer zurück, was denn damit gemeint sei. Gewiß, meine Mutter war Jüdin. Sie wurde wie Anne Frank inhaftiert, weil sie keinen Stern trug. Aber sie hatte Glück, im Gegensatz zum Großteil meiner Familie, der ermordet wurde. Trotzdem fühle ich mich nicht als Jude. Ich bin es wohl im »rassischen« Sinne, aber nicht im religiösen. Um allen Fragen zu begegnen, sage ich immer, ich bin ein historischer Jude.
Und was, wenn Sie als Jude angesprochen werden, etwa von einem Rechtsradikalen, von denen es ja doch ein paar geben soll in Ostdeutschland?
binnerts: Das ist mir schon passiert. Das war wie ein Schock. Aber das war in Holland. Ich habe nichts dagegen, anders zu sein, solange es nicht bedeutet, minderwertig zu sein, herabgestuft zu werden. Aber Angst habe ich keine. Trotzdem würde ich nicht mit der Kippa herumlaufen. Aber nur, weil ich kein religiöser Jude bin.
Das Gespräch führte Jonathan Scheiner.