von Ulf Meyer
Wenn 2010 das neue Militärhistorische Museum in Dresden eröffnet wird, wird es einen Blick auf die Stadt aus der Spitze eines Keils bieten. Das denkmalgeschützte ehemalige Arsenal von 1876 wird derzeit von Daniel Libeskind umgebaut und um einen V-förmigen Neubau erweitert. Libeskind, der mit seinem Entwurf für das Jüdische Museum in Berlin zum Weltstar der Baukunst geworden ist, wird den U-förmigen Altbau durch einen Keil erweitern, der sich asymmetrisch in den Grundriss des Altbaus legt und dessen Fassade mit seiner Spitze durchbohrt. Diese Spitze des Keils, in der ein Café eingerichtet werden soll, zeigt in Richtung des historischen Stadtkerns von Dresden, auf die Frauenkirche. In seinem Keil sieht der Architekt ein »Sinnbild für den Mut zum Wiederaufbau und zugleich ein Symbol für Zerstörung, Teilung, Gewalt, Schmerz und Trauer«.
Die klassizistische Dreiflügelanlage mit zweieinhalb Geschossen, die der Architekt Hermann Nicolai 1876 auf dem großen Militärgelände im Norden von Dresden errichtete, ist schon mehrmals zuvor umgebaut worden: 1917 zum Sächsischen Heeresmuseum und 1972 zum Armeemuseum der DDR. Libeskinds Entwurf beseitigt leider alle Umbauten aus der DDR-Zeit. Als weithin sichtbare Intervention erstreckt sich stattdessen sein herausragender Keil über alle Geschosse und thematisiert den Bruch mit dem kaiserlichen Militärpathos. Denn das von der Bundeswehr unterhaltene Museum will das Militär nicht glorifizieren. Es bietet unterschiedliche Perspektiven auf deutsche Militärgeschichte, klassische und neuartige Sichtweisen. Das Leitmotiv dabei ist die Frage nach den Ursachen von Gewalt, denn »Krieg ist nur verständlich, wenn seine Darstellung die Natur des Menschen zur Grundlage nimmt«, so die Bauherren.
Mit über 10.000 Quadratmetern Ausstellungsfläche wird das Haus nicht nur das größte militärhistorische Museum Deutschlands, sondern auch das größte Museum in Dresden werden. 1,5 Millionen Objekte vom U-Boot bis zum Uniformknopf umfasst die Sammlung. Ein neuer Themenparcours in den unteren vier Geschossen des Keils beleuchtet die Wechselbeziehung zwischen Zivil- und Militärgeschichte, etwa anhand von Militärspiel- zeug. Anthropologischen Fragen wie »Warum gibt es Krieg?« widmet sich die Ausstellung auf zwei weiteren Ebenen des Neubaus. Libeskinds V-förmiger Anbau schneidet in den Altbau und wird die Besucher des chronologischen Teils im Altbau immer wieder mit dieser Problematik konfrontieren. Auch im Hof wird es interessante Überschneidungen der alten Ordnung mit dem Glas- und Metalllamel- len-Keil geben. Nachts wird der Zacken beleuchtet.
Es ist nicht das erste Mal, dass Daniel Libeskind ein Militärgebäude gestaltet. 2002 hatte er das Imperial War Museum North in Manchester gebaut und auch dort eine pazifistische architektonische Metapher gefunden: Das britische Militärmuseum hat die Form einer Scherbe. Der Dresdner Keil hingegen schneidet sich in die räumliche Ordnung des Arsenals und öffnet es zugleich zur kriegsgeschundenen Stadt und ermöglicht eine Distanz von der Kontinuität der militärischen Auseinandersetzung. Symbolträchtig ist auch der stützenfreie Raum des Neubaus, der in bewusstem Kontrast zum strengen Stützenraster des Altbaus steht. Wie die Altbaufassade die Rigidität der autoritären Vergangenheit repräsentiert, so reflektiere die Neubaufassade »die Offenheit einer demokratischen Gesellschaft«, sagt Libeskind.
www.militaerhistorisches-museum.bundeswehr.de