von Wladimir Struminski
Für Ehud Olmert wird es immer enger. Nur noch vierzehn Prozent der Israelis sind mit der Amtsführung ihres Ministerpräsidenten zufrieden. Olmerts Image leidet nach wie vor unter dem verlust- reichen und erfolglosen Libanonkrieg. Nachdem Generalstabschef Dan Chalutz in der vergangenen Woche seinen Rücktritt einreichte, nimmt der Druck auf Verteidigungsminister Amir Peretz, aber auch auf Olmert weiter zu, ebenfalls persönliche Konsequenzen zu ziehen. Nachfolger von Chalutz soll nun der bisherige Generaldirektor des Verteidigungsministeriums, Gabi Aschkenasi, werden. Wann er den Posten antritt, ist noch unklar.
Gleichzeitig ordnete die Generalstaatsanwaltschaft polizeiliche Ermittlungen gegen den Premier an, wegen des Verdachts auf illegale Einflussnahme und Begünstigung bei der Privatisierung des zweitgrößten israelischen Finanzinstituts, der Bank Leumi le-Israel. Ermittlungen zu weiteren Affären, in denen Olmert Korruption vorgeworfen wird, könnten bald folgen.
Auf der politischen Ebene scheint der Ministerpräsident den Herausforderungen, die auf das Land zukommen, richtungslos entgegenzudriften. Vor zwei Wochen erklärte er, die Politik des einseitigen Rückzugs sei gescheitert. Allerdings verriet er nicht, was er an Stelle der von ihm noch vor einem Jahr verfochtenen unilateralen Räumung großer Teile des Westjordanlandes zu tun gedenkt. Seine Kontakte mit dem Vorsitzenden der palästinensischen Autonomiebehörde, Machmud Abbas, verlaufen bisher ergebnislos. Zugleich ist Jerusalem unfähig, wirksam auf den Raketenbeschuss aus Gasa zu reagieren. Beim Thema der Bedrohung durch den Iran hat sich Olmert ebenfalls verkalkuliert, als er Israel als eine der nuklearen Militärmächte bezeichnete, denen Teheran nacheifern wolle. Damit hat er, allen nachfolgenden Dementis zum Trotz, gegen die jahrzehntelange Verschwiegenheitspolitik seines Landes in der Atomwaffenfrage verstoßen. Auch Olmerts öffentliche Drohungen gegen den Iran gelten als ein Fehler. Immer mehr Bürger und Experten fragen sich, ob ein so urteilsschwacher Premier geeignet ist, Israel gegen die existenzielle Gefahr eines atomaren Angriffs aus dem Iran zu schützen.
Führungsschwäche wird dem Regierungschef auch an der syrischen Front vorgeworfen. Die vor einer Woche bekannt gewordenen inoffiziellen Friedensgespräche zwischen Vertretern Israels und Syriens tat Olmert verächtlich als bedeutungslos ab, statt – wie es beispielsweise der Politologe Schlomo Avineri vorschlägt – die offizielle syrische Position durch diskrete Diplomatie auszuloten. An dem Punkt platzte auch einem Leitartikler der liberalen Tageszeitung Haaretz der Kragen. Der Regierungschef, so das angesehene Blatt, möge doch bitte entweder »regieren oder zurücktreten«.
Letzteres wird der Angeschlagene kaum freiwillig tun. Die von Teilen der Rechtsopposition geforderten vorgezogenen Neuwahlen kommen für Olmerts Kadima-Partei ebenfalls nicht in Frage: Umfragen zufolge müsste sie sich dabei mit gerade einmal zwölf statt der vor zehn Monaten errungenen 29 Mandate begnügen. Dennoch könnten Olmerts Tage im Amt gezählt sein. Dafür gibt es mehrere Szenarien: scharfe Kritik durch die Kriegs-Kommission, Anklage wegen Korruption, oder zunehmender öffentlicher Druck. Ob die jetzt schon brüchige Koalition den Sturz ihres Chefs überleben könnte, etwa unter der Führung der jetzigen Außenministerin Zipi Liwni, ist schwer zu beurteilen. Bei vorgezogenen Neuwahlen ginge die Regierungsgewalt höchstwahrscheinlich auf eine vom Likud-Vorsitzenden Benjamin Netanjahu angeführte rechtsreligiöse Koalition über.