Angekommen. Angenommen?
Eine Konferenz über jüdisches Leben in
der Nachkriegs-BRD
Nähern sich historische Gedenktage, sind sich die Programmmacher des ZDF ihrer Verantwortung bewusst: ein staatstragendes Programm muss sein. Das war erst kürzlich wieder beim Mauerfalljubiläum zu bestaunen, live gesendet vom Brandenburger Tor. Hillary Clinton saß in der ersten Reihe. Ein klein wenig Konzession an das Massenpublikum musste aber sein, und deshalb moderierte Thomas Gottschalk.
Das war vor gut 30 Jahren ähnlich. Am 9. November 1978 jährte sich die Zerstörung der Synagogen zum 40. Mal, und man hatte auf dem Mainzer Lerchenberg beinahe alles richtig gemacht: eine Live-Übertragung aus der Kölner Synagoge, die »Bonner Runde« der politischen Schwergewichte diskutierte zum Tagesthema, und Alain Resnais’ Film »Nacht und Nebel« stand auf dem Programm – fehlte nur noch ein bisschen öffentlich-rechtliches Konfetti, weshalb die Senderspitze auch auf die Ausstrahlung der Quizshow »Dalli Dalli« nicht verzichten mochte. Deren Moderator Hans Rosenthal (1925–1987), der seine Familie in der Schoa verloren hatte und selbst dem Tod nur knapp entkommen war, fand das zwar wenig pietätvoll, konnte sich aber mit seinen Bedenken nicht durchsetzen. Um wenigstens ein Zeichen zu setzen, führte der Entertainer im schwarzen Anzug durch die Sendung und ließ Opernmelodien statt der sonst üblichen Schlager spielen.
Die Jenaer Doktorandin Anne Giebel erinnerte an diese Episode in ihrem Vortrag über den populärsten deutschen TV-Moderator der 70er-Jahre während der Tagung »Angekommen? Sechs Jahrzehnte jüdisches Leben im Nachkriegsdeutschland«, veranstaltet am 6. und 7. Dezember vom Historischen Kolleg München. Die Kernthese der jungen Wissenschaftlerin: Dem Fernsehunterhalter Rosenthal gelang, woran Publizisten und Schriftsteller scheiterten: ein großes Publikum in Deutschland für die Verfolgung und Ermordung der Juden durch die Nazis zu interessieren und vor allem zu sensibilisieren. Das bewiesen unter anderem die traumhaften Einschaltquoten von Rosenthals Musiksendung »Das gibt’s nur einmal« über Komponisten, deren Werke von 1933 bis 1945 verboten waren, oder seine in zwölf Folgen abgedruckte Autobiografie in der TV-Zeitschrift Hörzu.
Einen weiteren interessanten Aspekt im Themenblock »70er- und 80er-Jahre« präsentierte Monika Halbinger, die derzeit an der Universität München promoviert. »Zwischen Annäherung und Abwehr. Die Berichterstattung von Zeit, Spiegel und Stern«. Diese vermeintlichen liberalen publizistischen Bastionen waren, so Halbingers Erkenntnis, damals auch Horte eines als Israelkritik verbrämten Antisemitismus.
Der grundsätzliche Tenor seit den 60er-Jahren aus Sicht der deutschen Juden lautete nach Meinung des Bochumer Zeit-
historikers Constantin Goschler: Die seit Kriegsende noch gepackten Koffer werden wieder ausgepackt. Erste Konflikte innerhalb der jüdischen Community treten auf – unter anderem zwischen Jungen und Alten, Säkularen und Religiösen. Ein neues Selbstbewusstsein beginnt, das gesellschaftliche Engagement nimmt zu.
Das zweitägige Programm konnte nur einen Querschnitt des Themas abbilden. So sprachen am ersten Tag unter anderem Dan Diner über den grundsätzlichen Sinn einer jüdischen Geschichtsschreibung in Deutschland, Elisabeth Gallas über den »Friedhof der Bücher – Das Offenbacher Depot als jüdischer Gedächtnisort« sowie Jonathan Zatlin über Ignaz Bubis. André Paul