von Tobias Kühn
Klarheit kommt manchmal unbeabsichtigt. Es war am Mittwoch vergangener Woche in Frankfurt am Main. Der Bamberger Erzbischof Ludwig Schick hatte der Presse gerade ein neues »Institut für Weltkirche und Mission« vorgestellt, das nächstes Jahr an der Jesuitenhochschule St. Georgen eröffnet werden soll. Da fragte ein Journalist, ob die Mission denn auch auf Juden abziele. Schick antwortete: »Wir bieten das Evangelium allen Menschen an, unabhängig von ihrer Religionszugehörigkeit.« Das beziehe sich »als Angebot auch auf Juden, Muslime und Hindus«. Auf Anfrage der Jüdischen Allgemeinen bekräftigte Schick seine Aussagen wenige Tage später (vgl. Interview S. 1).
»Skandalös« nennt Micha Brumlik, Professor für Erziehungswissenschaften in Frankfurt und langjähriger Gesprächspartner im jüdisch-katholischen Dialog, Schicks Äußerungen. »Sie beweisen mir, dass der päpstliche Erlass zur lateinischen Karfreitagsmesse nicht nur ein Ausrutscher war.« Seitdem Papst Benedikt XVI. im Juli 2007 ankündigte, die Messe nach dem alten lateinischen Ritus wieder zuzulassen, ist das Verhältnis zwischen Juden und Katholiken gestört. Denn in dieser alten Form der Karfreitagsliturgie beten die Gläubigen »für die Juden, auf dass Gott unser Herr ihre Herzen erleuchte, damit sie Jesus Christus erkennen, den Retter aller Menschen«.
Auch die Orthodoxe Rabbinerkonferenz Deutschland (ORD) kritisierte die Worte des Bamberger Erzbischofs. Mit seinem Angebot des Evangeliums an Andersgläubige führe er den Gedanken der Karfreitagsfürbitte fort und streue erneut Salz in die noch offenen Wunden, hieß es in einer Erklärung der ORD am Dienstag. »Der Missionierungsgedanke als Angebot für alle Religionen scheint den Verdacht zu bestätigen, dass prominente Teile in der katholischen Kirche nicht bereit sind, Andersgläubige so zu akzeptieren, wie sie sind.« Schicks Interesse am christlich-jüdischen Dialog werfe die Frage auf, »ob dieser Dialog in Wirklichkeit nur der Missionierung gilt«, so die orthodoxen Rabbiner. »In der Erwartung klarer Gegenstimmen aus der katholischen Kirche hoffen wir auf echte Toleranz und gegenseitigen Respekt, um einen Dialog auf Augenhöhe und ein gedeihliches Miteinander zu ermöglichen.«
Weniger visionär äußert sich ein anderer jüdischer Dialogpartner: Für den Kölner Publizisten Günther Bernd Ginzel, der seit Jahrzehnten im Gesprächskreis »Juden und Christen« beim Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK) aktiv ist, offenbaren Schicks Worte, dass man es mit Partnern zu tun habe, »die nicht nur den Dialog wollen, sondern im Hinterkopf die Hoffnung haben, dass wir die Seite wechseln«. Das Gespräch mit der Kirche scheine deshalb momentan lediglich dort sinnvoll, »wo es um soziale Fragen und um die Bekämpfung von Antisemitismus geht«, sagt Ginzel und empfiehlt, den Kontakt zur Kirche auf politische Themen wie Gerechtigkeit und Frieden zu konzentrieren. Es sei ein Grundfehler des jüdisch-christlichen Dialogs, »dass wir mit Christen immer nur über Gott, Jesus und Theologie reden«. Dass der Zentralrat der Juden in Deutschland die offiziellen Beziehungen zur katholischen Kirche auf Eis gelegt hat, sei der richtige Schritt, so Ginzel. »Man muss aufpassen, dass man der Kirche nicht die Bühne für Schauveranstaltungen der Gemeinsamkeit gibt.« Sowohl Ginzel als auch Brumlik betonen jedoch, dass sich ihre Kritik auf die Kirche als Institution bezieht. Mit einzelnen Menschen sei ihnen der Dialog nach wie vor wertvoll.
Einer dieser Menschen ist Heinz-Günther Schöttler, Professor für Pastoraltheologie an der Universität Regensburg und Mitglied im Gesprächskreis »Juden und Chris- ten« beim ZdK. Vehement widerspricht Schöttler Schicks Konzept, Mission sei Teil des Dialogs. »Die Aussagen des Erzbischofs belasten das christlich-jüdische Gespräch sehr.« Außerdem kritisiert Schöttler Schicks leichtfertigen Umgang mit dem Missionsbegriff, denn dieser sei »geschichtlich desavouiert und theologisch höchst problematisch«. Dem Missionsgedanken wohne immer der Aspekt der Gewalt inne. Deshalb dürfe die Kirche diesen Begriff nicht mehr gebrauchen und müsse »ihren missionierenden Drang heute (selbst-)kritisch sehen«. Schick handele unsensibel und theologisch höchst fahrlässig, sagt Schöttler. »Christliche Mission hat den Juden schreckliches und leidvolles Unrecht angetan.«
Dieter Graumann, Vizepräsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, mahnt, mit dem Begriff und dem Anspruch von Mission feinfühlig und behutsam umzugehen. Sollte der Dialog der Religionen am Ende wirklich nur darauf hinauslaufen, andere missionieren zu wollen, »so wäre das ein sehr unkluges Signal von Respektlosigkeit und Intoleranz«, sagte er.
Der künftige Leiter des neuen »Instituts für Weltkirche und Mission«, der zurzeit in Prag lehrende katholische Theologe Albert-Peter Rethmann, betont, dass nicht die Missionierung das eigentliche Ziel seiner Einrichtung sei. Vielmehr gehe es »darum, dass wir in Deutschland wahrnehmen, wie Christen in anderen Ländern ihren Glauben leben«. Im Gespräch mit der Jüdischen Allgemeinen beteuerte Rethmann, dass der interreligiöse Dialog nicht geführt werde, um den anderen auf die eigene Seite zu ziehen, sondern um ihn zu verstehen. »Wenn ich mit einem Juden über den Glauben spreche, dann versuche ich, ihm plausibel zu machen, warum ich Christ bin. Und ich möchte die Gründe verstehen, die es meinem Gegenüber plausibel machen, jüdisch zu glauben.« Doch dann fügt Rethmann hinzu: »Wenn der Gesprächspartner sich jedoch angezogen fühlt vom Christentum, lasse ich ihm natürlich die Möglichkeit, zu suchen und eine andere freie Entscheidung zu treffen.« Menschen, die auf der Suche sind, wolle er über die Gründe, die ihn Christ sein lassen, nicht im Unklaren lassen. »Das Angebot, das ich gefunden habe, biete ich anderen an.« Manchmal kommt Klarheit unbeabsichtigt.