Das ist kein schönes Geburtstagsgeschenk für Eberhard Jäckel. Der Historiker empfindet es als Zerstörung seines Lebenswerks, wenn seine Universität in Stuttgart – wie kürzlich angekündigt – tatsächlich tiefe Einschnitte bei den Geisteswissenschaften vornimmt. Maßgeblich war der renommierte Hitler-Forscher am Aufbau des Historischen Instituts in Stuttgart beteiligt, das er nun in der Existenz bedroht sieht. Am vergangenen Montag ist Eberhard Jäckel 80 Jahre alt geworden.
Die Erforschung Nazideutschlands, des Völkermords an Juden, Sinti und Roma sowie des Umgangs der Deutschen mit der NS-Vergangenheit haben Jäckel weltweit bekannt gemacht. Als Gast in TV-Diskussionen nahm er immer wieder Stellung zu Themen wie Beutekunst, Zwangsarbeiter-Entschädigung, Historikerstreit und »Holo- kaust« – wohlgemerkt mit »k« geschrieben: »Man darf doch ein so zentrales Ereignis der deutschen Geschichte nicht auf Englisch beschreiben«, sagt Jäckel. An der Seite der Journalistin Lea Rosh kämpfte er über Jahre für das Berliner Holocaust-Mahnmal, nicht immer ohne Gram: »Inzwischen überwiegt die Befriedigung. Aber die Vorgeschichte war lang, zum Teil schwer und auch ärgerlich«, erinnert er sich.
16 Jahre alt war er bei Kriegsende – und er habe wissen wollen, wie es zu alldem hatte kommen können, beschreibt Jäckel seine persönliche Initialzündung. Der Ingenieurssohn aus Wesermünde studierte an den Universitäten Göttingen und Tübingen, Gainesville (Florida) und Paris. 1955 promovierte er in Freiburg, 1961 folgte in Kiel die Habilitation. Sechs Jahre später übernahm er eine Professor für Neuere Geschichte in Stuttgart – als Nachfolger von Golo Mann. In drei Jahrzehnten unter anderem als Direktor des Historischen Instituts machte er die Universität Stuttgart zu einem Zentrum für Zeitgeschichte.
die rolle hitlers Internationale Beachtung fand vor allem seine Analyse Hitlers Weltanschauung, die 1969 erschien. Darin wies Jäckel nach, dass Hitler einer zwar kruden, aber in sich geschlossenen Weltanschauung folgte. Vor allem hatte Hitler zwei Ziele: den Gewinn von »Lebensraum im Osten« und die »Entfernung der Juden in Europa«. Indem Jäckel immer wieder auf die zentrale Bedeutung des Judenmords für Hitler hinwies, hat er der Holocaustforschung nachhaltig den Weg gewiesen.
Aktuell schreibt Jäckel an einem Buch über die Geschichte der Badischen Revolution von 1849. Doch sein wissenschaftliches Lebensthema, die NS-Zeit, lässt ihn nicht los. Zuletzt habe es viel Bestätigung seiner Thesen gegeben, sagt er. »Es tritt endlich in den Vordergrund, dass die wichtigsten Entscheidungen von Hitler selbst getroffen wurden. Das war von manchen lange angezweifelt worden.«
1980 kam Jäckels gewichtige Quellensammlung Hitler. Sämtliche Aufzeichnungen 1905-1924 heraus. Allerdings musste er da erkennen, dass Forschung nicht unfehlbar ist: In seine Sammlung gerieten Texte aus der Fälscherwerkstatt des später als Hitler-Tagebuchautor bekannt gewordenen Konrad Kujau. Nach dem Erscheinen der »Hitler-Tagebücher« 1983 im Stern gehörte Jäckel dann zu den Ersten, die die Authentizität der vermeintlichen Sensation in Frage stellten. Gemeinsam mit Peter Longerich und Julius Schoeps gab Jäckel zudem die Enzyklopädie des Holocaust (1993) heraus, die heute als Standardwerk für Neuhistoriker gilt. Roland Böhm