Krieg in Gasa

Am Thema vorbei

von Sarah Dickmann

Kindern den Krieg zu erklären, ist schwer. Ein kleiner Junge will wissen: »Wenn Raketen alles zerstören, gehen dann auch die Autos kaputt, obwohl das Blech so hart ist?« Ein anderer schlägt vor, die Kinder in Israel und Gasa sollten sich in kleinen Gruppen zusammentun und überlegen, wie sich Frieden schließen lässt – »so machen wir das doch in der Schule auch«, erklärt er. Der Förderverein Joseph Carlebach in Hamburg führt Grundschulkinder in Projekten an das Thema Gasa-Konflikt heran. »Die Mädchen und Jungen bekommen durch Zeitung und Nachrichten mit, was dort geschieht«, erklärt Sibylle Stoler. »Deshalb ist es wichtig, ihnen auf keinen Fall Angst zu machen, sondern ihnen das Thema altersgerecht zu vermitteln.«
Die Schüler lernen in den Räumen des Vereins an der Altonaer Straße beispielsweise etwas über das Kinderheim »Neve Hanna« in Kiryat-Gat, in dem traumatisierte Kinder aus Familien mit Drogen- und Alkoholproblemen leben. Regelmäßig organisieren Sibylle Stoler und ihr Team Besuche dort – jetzt leidet das Heim unter Raketenbeschuss. »Wir Erwachsenen sind besorgt über die Zustände, und ganz behutsam sprechen wir darüber auch mit den Kindern.« Das Heim in Israel, Betreuer und Bewohner, die die Hamburger kennen – das holt den Krieg und seine Opfer aus der Anonymität nah an Deutschland heran.
Für Heinrich Hibbeler, Leiter der Joseph-Carlebach-Schule in Hamburg, ist eine Behandlung des Konflikts im Unterricht erst der zweite Schritt. Zuerst sind er und seine Kollegen damit befasst, Sicherheit für die Schüler zu gewährleisten. »Mit der Eskalation in Gasa und Israel ist auch das Risiko für unsere Schüler gestiegen.«
Seit einer Woche läuft der Unterricht am Grindelhof nach den Winterferien wieder, und im Vergleich zu vorher hat sich eine Menge geändert. »Für den Sportunterricht in einer externen Halle haben wir das Schulgelände bisher verlassen. Das geht jetzt nicht mehr«, sagt Hibbeler. Die Schule arbeitet eng mit Polizei und Landeskriminalamt zusammen. Wer das Gebäude betritt, wird kontrolliert. Im Lehrerkollegium sei vor allem der Stand der Friedensbemühungen immer wieder Thema, persönliche Betroffenheit könne der Ansatzpunkt für kommende Gespräche mit den Schülern sein, so Hibbeler. »Es ist wichtig, die Kinder mit ihren Fragen nicht allein zu lassen. Der Krieg ist nichts Abstraktes, wenn sie Angst um Verwandte in Israel haben.«
An der Isaak-Emil-Lichtigfeld-Schule in Frankfurt am Main gibt es das ganze Jahr über Projekte, die sich mit Israel und seiner politischen Situation befassen. Der Begriff »Dilemma« ist für Direktorin Alexa Brum der Ausgangspunkt, um den Kindern zu erklären, dass zwei Völker Anspruch auf ein Land erheben. Außerdem geht es im Unterricht um Wasserreserven als einen der zentralen Punkte des Konflikts und darum, dass Israel oft Spielball anderer Mächte ist, die ihre Ziele erreichen wollen. Die Schule hat in Frankfurt erst in dieser Woche wieder begonnen, und so werden konkrete Gespräche über die aktuellen Ereignisse noch folgen. In einer Lehrerkonferenz will Brum den Umgang mit diesem Thema ansprechen, und sie wird ihrem Kollegium eine Chronik der Ergebnisse und weiteres Informationsmaterial in die Hand geben. »Wir wollen die Kinder keinesfalls ängstigen«, sagt sie, »sondern ihnen den Konflikt und seine Wurzeln erklären.« Neben dem normalen Lehrplan auch den Gasakonflikt aufzugreifen, scheitert bei aller Aufgeschlossenheit gegenüber dem Thema oft an Zeitmangel. Das hat Christina Reinicke während ihrer Tätigkeit an verschiedenen Schulen in Nordrhein-Westfalen und in Frankreich beobachtet. »Das ist schade«, sagt die Leiterin der Kölner Lauder-Morijah-Schule. Die Schüler selbst sprächen nicht darüber, und auch Eltern seien bisher nicht auf sie zugekommen.
An der Sinai-Grundschule in München behandeln Schulleiterin Antonia Ungar und ihre Lehrerkollegen den Konflikt nicht explizit im Unterricht. »Schon das Thema Holocaust kindgerecht durchzunehmen – und das machen wir – ist sehr schwer.« Manchmal jedoch wird der Nahostkonflikt ganz von selbst Thema. Dann nämlich, wenn Rektorin Ungar beobachtet, dass sich Schüler streiten oder gar prügeln. Dann greift sie hart durch, mit Hinweisen auf Gasa. »Juden haben schon genug Feinde«, sagt sie, »ich dulde nicht, dass ihr euch auch noch gegenseitig angreift.«

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