von Detlef David Kauschke
»Sechs Tage schaffe und tue all dein Werk, und der siebte Tag ist ein Schabbat dem Ewigen, deinem Gott. Kein Werk sollst du tun... « So steht es in der Tora (2. Buch Mo-
ses 20, 9-11). Die Mischna zählt 39 am Heiligen Tag verbotene Tätigkeiten auf, Fliegen ist natürlich nicht darunter. Aber der halachischen Deutung zufolge gibt es selbstverständlich auch das Verbot der zi-
vilen Luftfahrt. Einzige Ausnahme, wie für alle anderen Schabbatvorschriften, ist die Rettung von Menschenleben. Ausländische Airlines kümmern biblische Gebote wenig, auch andere israelische Fluggesellschaften fliegen an sieben Tagen in der Woche. Doch für EL AL ist diese Frage von besonderer Bedeutung, denn sie ist seit der Gründung 1948 nicht nur die nationale Airline des jüdischen Staates, sondern auch erste Adresse für die streng religiöse Kundschaft. Noch 1982 wurde der Airline von der Regierung verordnet, sich an den wöchentlichen Ruhetag halten zu müssen.
Heute hat sie etwa 20 bis 30 Prozent fromme Passagiere. Deren Anteil ist insbesondere auf den Verbindungen nach London und New York erheblich. Nicht nur auf diesen Strecken bietet EL AL seinen orthodoxen Passagieren einen besonderen Service: Auf Bestellung können glattkoschere Menüs serviert werden, im Audio-Programm der Flieger laufen religiöse Schiurim, im Filmprogramm entsprechende Angebote. Auch für gemeinsame Gebete gibt es Möglichkeiten an Bord.
Ende November vergangenen Jahres zog sich EL AL dennoch den Unmut der gläubigen Fluggäste zu. Denn um Verspätungen nach einem Generalstreik in Israel aufzuholen, setzte die Airline den Flugbetrieb noch nach Sonnenuntergang, also nach dem Beginn des Schabbats, fort. Es gab empörte Proteste, verschiedene ultraorthodoxe Führer riefen zu einem Boykott der Fluggesellschaft auf. Der Rabbiner der litauischen Charedim, Yosef Shalom Elyashiv, reagierte mit Unverständnis: EL AL sei die meist bedrohte Fluggesellschaft der Welt, und gerade sie stelle jetzt das Schabbat-Gebot in Frage? In orthodoxen Medien tauchten Mitteilungen auf, dass es »unpassend« wäre, mit EL AL zu fliegen. Mehr noch: Einige Toragelehrte sprachen von »Sakanah«, einer Gefahr, die bei Flügen mit EL AL drohen würde. Sie verwiesen auf die altbekannte talmudische Weisheit: »Mehr als Israel den Schabbat hütet, hütet der Schabbat Israel.« Bleibt die Heiligkeit des Schabbats jedoch unbeachtet, so die Rabbiner, riskieren Passagiere und Besatzungsmitglieder Kopf und Kragen.
Ein sogenannter »inoffizieller Boykott« war die Folge. Die orthodoxe Passagiere buchten um. Gefordert wurde, dass eine rechtlich bindende Vereinbarung erreicht werde, in der sich EL AL verpflichte, nicht mehr am Schabbat zu fliegen. Schon kursierten Berichte, dass Israir, der schärfste Konkurrent von EL AL auf dem israelischen Markt, bereits in Verhandlungen mit Vertretern der Orthodoxie stünde. Wo-
chenlang ging es hin und her, der Boykott soll Medienberichten zufolge das Unternehmen 1 Million Schekel täglich gekostet haben.
Anfang Januar dann war der Streit beigelegt. EL AL hatte mit Vertretern des Rates zur Heiligung des Schabbats, einem Gremium, in dem die wichtigsten orthodoxen Gruppen des Judentums vertreten sind, eine schriftliche Vereinbarung unterzeichnet. Sie erlaube es der streng religiösen Kundschaft weiterhin, mit EL AL zu fliegen, hieß es. Einzelheiten des Abkommens wurden nicht bekannt. Nur so viel, das Rabbiner über die Einhaltung der Vereinbarung wachen sollten. Der sefardische Oberrabbiner Schlomo Amar solle dabei als Berater wirken.
Rechtsanwalt Yaacov Weinrot, der die orthodoxe Seite vertrat, sagte der Tageszeitung Yedioth Ahronoth, es sei eine Übereinkunft getroffen worden, »die beide Seiten zufrieden stellt«. Auch der aschke-
nasische Oberrabbiner Yona Metzger lobte die Übereinkunft. Die Tageszeitung Haaretz zitierte ihn mit den Worten: »Ich bin sehr zufrieden über das Verständnis, dass das Unternehmen der ultraorthodoxen Bevölkerung in dieser Frage entgegenbringt.«
Wer glaubte, EL AL würde von weiteren Turbulenzen verschont, wurde gleich ei-
nes Besseren belehrt. Es gab neuen Ärger. Anlass waren Flüge am 23. Februar und
2. März. Beide sollten von Toronto kommend noch vor Schabbatbeginn in Tel Aviv landen, schafften es aber nicht rechtzeitig. Eine Maschine landete in London, die andere in Zürich. Den religiösen Passagieren wurden für den Schabbat Hotels besorgt, die säkularen Fluggäste mit Sun D’Or, einer EL-AL-Tochtergesellschaft, nach Hause geflogen.
Erneut gab es heftige Proteste von or-
thodoxer Seite. EL AL entschuldigte sich. Die Verantwortlichen des Unternehmens hoffen nun inständig, dass dies Einzelfälle bleiben. Das ist verständlich. Denn allein der Zwangsstopp in Zürich und seine Folgen soll Globes zufolge 150.000 Dollar ge-
kostet haben. »Zehn solcher Vorfälle im Jahr, und wir können die Airline dicht machen«, zitierte die Wirtschaftszeitung einen EL-AL-Sprecher.
Bleibt der talmudische Satz: »Mehr als Israel den Schabbat hütet, hütet der Schabbat Israel.« So lange EL AL den siebten Tag heiligt, so die Rabbiner, wird der Ewige seine schützende Hand über die israelische Airline halten.