von Christine Schmitt
Selbst im Sommer kommen die Beter in großer Zahl: Beispielsweise am vergangenen Schabbat seien mehr als 60 zum Gottesdienst in der Synagoge Hüttenweg erschienen. »Und das, obwohl in Berlin Fe-
rien sind«, sagt Rabbiner Andreas Na-
chama. Und das sei schon eher wenig gewesen, weil sich ansonsten sogar um die 100 Beter regelmäßig einfinden würden. »Unser Platz reicht gar nicht mehr aus, denn wir haben nur für 85 Menschen Sitzgelegenheiten«, meint der Rabbiner. Eine erfreuliche Entwicklung für die von Andreas Nachama und Albert Meyer sozusagen an historischem Ort wiedergegründete liberale Betergemeinschaft. Bis 1994 war hier das Chaplain Center der US Armee untergebracht, in dem jüdische Gottesdienste für Soldaten der Besatzungsmächte angeboten worden waren.
Mit 15 Betern hätten sie 1999 in den Räumen der amerikanischen All-Saints-Church angefangen, erzählt Nachama. Jährlich seien etwa 15 bis 20 Interessierte dazukommen. Die Gemeinschaft sei in den acht Jahren ihres Bestehens kontinuierlich gewachsen, sodass sie nun nach einem neuen Haus suchten. Einen Sponsor gebe es bereits, allerdings noch keine passende Immobilie. Auf jeden Fall soll das neue Domizil wieder in Steglitz-Zehlendorf sein.
»Wir hoffen, dass wir nun bald etwas finden und in drei bis vier Monaten umziehen können«, meint Nachama. Je nach Räumlichkeit soll ein entsprechendes Konzept ausgearbeitet werden. Entweder gebe es nur wieder eine Synagoge, oder aber, wenn noch mehr Räume neben dem Gotteshaus genutzt werden könnten, hoffen die Mitglieder der »Synagogengemeinde«, dass dort noch andere jüdische Einrichtungen entstehen oder mit einziehen.
Auch innerhalb der Jüdischen Gemein-de zu Berlin geht die Beterschaft des Hüttenweges eigene Wege: Seit Kurzem heißt sie »Synagogengemeinde Berlin Sukkat Schalom«. Den Namen hatte der Vor-
stand vorgeschlagen, sagt Benno Simoni, der seit sieben Jahren mit dabei ist. Die bisherige offizielle Bezeichnung »Betergemeinschaft« hätte sich zu christlich angehört, meint er. »Trotz des neuen Namens bleiben wir weiterhin eine Synagoge unter dem Dach der Einheitsgemeinde«, betont Simoni.
Andererseits würde er eine Verselbst-ständigung der Synagogengemeinden in Berlin begrüßen, sagt Andres Nachama. Die jetzige Situation sei unbefriedigend. Ihm schwebt als Zukunftsmodell eine Gemeinde vor, die nur als Dachorganisation der einzelnen Synagogengemeinden fungiert, die dann selbst eine größere Eigenständigkeit erhalten sollten. In anderen Bundesländern gebe es Landesverbände, bei denen die einzelnen Gemeinschaften Mitglied sind. So könne man auch in Berlin die Einheitsgemeinde bestehen lassen, zugleich könnten die einzelnen Synagogen ein Stück selbstständiger und zudem gleichberechtigt nebeneinander auf-
treten. »Damit hätte jeder einen Ort, an dem er sich entfalten und bestimmen könnte«, meint Nachama. Die einzelnen Einrichtungen dürften sich nicht gegenseitig bevormunden. »Es gibt nichts Misslicheres, als wenn eine größtenteils orthodoxe Gemeinde über einen Reformrabbiner zu entscheiden hat«, sagt Nachama. Derzeit entscheide die Repräsentantenversammlung (RV) darüber, wer als Rabbiner eingestellt wird. Die Beter der jeweils betroffenen Synagogen hätten lediglich ein Mit-
spracherecht.
Auch Julius H. Schoeps, Leiter des Potsdamer Moses Mendelssohn Zen-
trums, ist Beter der Synagoge. Er sagt, dass »aus dem Hüttenweg heraus etwas Neues entstehen« könne, wenn nach den Ge-
meindewahlen im November die Liberalen und die Vertreter des Reformjudentums nicht mehr in der RV vertreten sein sollten.
Eine bestehende Synagoge könne man nicht vom Reformkurs abbringen, sie habe einen eigenen Charakter, unterstreicht Andreas Nachama. Erst im Winter hatte sich die Beterschaft der World Union for Progressive Judaism, der Weltunion progressiver Juden angeschlossen.
Vieles ändert sich, eines bleibt auf jeden Fall, versichert der Rabbiner – das Bemühen, für noch mehr Beter attraktiv zu sein. »Eine Synagoge definiert sich immer neu, zufrieden kann man nie sein.«