von Jessica Jacobi
Es gibt Dokumentationen, die spannender sind als mancher Krimi. Die Geschichte, die die britischen Dokumentarfilmer Jane Chablani und Martin Smith in ihrem Film Stealing Klimt auffächern, gehört dazu. Tatort ist Wien, das Corpus Delicti sind fünf Bilder des bedeutenden Jugendstilmalers Gustav Klimt (1862-1918). Die Heldin ist Maria Altmann, eine streitbare jüdische Dame, Jahrgang 1916. In Nebenrollen treten auf: der österreichische Journalist Hubertus Czernin, Maria Altmanns juristischer Berater Randol Schoenberg sowie drei Vertreter der Republik Österreich, die keine gute Figur machen. Erzählt wird Maria Altmanns persönliche Geschichte, zugleich eine sehr österreichische Chronique scandaleuse, die um 1900 beginnt und 2006 vor einem Schiedsgericht endet.
Maria Altman ist eine Nichte von Adele Bloch-Bauer. Zweimal hatte Gustav Klimt die schöne junge Frau aus dem Wiener jüdischen Großbürgertum porträtiert. Beide Gemälde strahlen unübersehbare Sinnlichkeit aus. Böse Zungen behaupteten, dass Maler und Modell mehr als berufliches Interesse verbinde.
1938 – Gustav Klimt und Adele Bloch-Bauer waren beide schon lange tot – marschierten die Deutschen in Österreich ein. Adeles Ehemann, der Zuckerfabrikant Ferdinand Bloch, musste fliehen. Sein Besitz, darunter die beiden Porträts sowie drei weitere Klimtgemälde, wurde »arisiert«. Nach dem Krieg versuchte Bauer erfolglos, die Bilder, die inzwischen als Staatsbesitz in der Wiener Belvederegalerie hingen, zurückzubekommen.
54 Jahre später wurde unter starkem internationalen Druck in Österreich ein neues Restitutionsgesetz verabschiedet. Was aber nicht hieß, dass der geraubte jüdische Kunstbesitz jetzt freiwillig an die rechtmäßigen Erben herausgegeben wurde. Fast sieben Jahre und 13.000 Aktenseiten lang musste Maria Altman hartnäckig kämpfen, bis sie die Bilder von der österreichischen Regierung zurückerhielt. Sie bot sie anschließend der Alpenrepublik zum Kauf an. Der geschätzte Marktwert betrug 300 Millionen Dollar. Maria Altman und die Erbengemeinschaft waren bereit, auf ein Viertel der Summe zu verzichten. Doch das war den Wiener Kunstbürokraten zu teuer. Verletzte Gefühle spielten auch eine Rolle: In Meinungsumfragen sprachen sich zwei Drittel aller Österreicher dagegen aus, die Bilder zurückzukaufen. Das bekannteste der fünf Gemälde – » Adele Bloch-Bauer I« – wurde wenig später von Ronald S. Lauder erworben und hängt nun in der New Gallery Manhattan. Die vier anderen Bilder wurden bei einer Christie’s-Auktion von einem anonymen Bieter ersteigert.
Kommende Woche kommt Stealing Klimt in die deutschen Kinos. Stoff für eine Fortsetzung dieser mit viel Liebe zum Detail gedrehten Dokumentation gäbe es: In österreichischen Museen hängen noch sechs weitere Klimts, bei denen der Verdacht besteht, dass sie in der NS-Zeit geraubt wurden.