Potsdams Innenstadt hat derzeit das große Wirrwarr gepachtet: Straßenverlegungen, kilometerlange Staus, Kanalgrabungen und Schlossbauvorbereitungen legen so manche Nerven blank. Dass trotzdem mitten in diesem Durcheinander gut gefeiert werden kann, machte vergangene Woche die Jüdische Gemeinde vor: Mit ihrem Sukkot-Straßenfest in der historischen Schlossstraße. Dort, wo demnächst die neue Synagoge der Stadt erstehen soll. Das gefiel selbst dem abgeschriebenen Spätsommer, der sich nochmal mit kräftigem Sonnenschein zurückmeldete. »Heute ist kein Tag der langen Reden, sondern des fröhlichen Feierns«, ließ Rabbiner Nachum Presman gleich eingangs wissen. Daran hielten sich Gastgeber und Gäste dann auch.
Potsdams Jüdische Gemeinde besteht fast durchweg aus osteuropäischen Zuwanderern, denen die Leidenschaft für Folklore, Lyrik und Gesang im Blut liegt. Was Wunder, wenn die Veranstalter ein mehrstündiges Musikprogramm herbeizauberten, bei dem die (hauseigene) Band »Nerannena« und das in Potsdam-West ansäs- sige »Montag-Orchester« die meiste Aufmerksamkeit erzeugten. Gast-Kantor Juri Zemski brillierte mit liturgischen Liedern wie »U we schofar Gadol«, während sich die Chöre vom Gemeinde- und Kulturzentrum KIBUZ auf eine Mischung aus jiddischen, russischen und natürlich auch deutschen Songs verlegten. Lange vor den Künstlern hatten die »Kids« der Gemeinde und der Umgebung die Schlossstraße für sich erobert, eine überdimensionale Hüpfburg besetzt und sich dann in Windeseile »Mini-Laubhütten« aus Pappe und Buntpapier gebaut. Der großen Sukka gleich neben dem Gemeindeprovisorium – einem Verwaltungsplattenbau aus DDR-Zeiten – fehlten zwar die malerischen Palmenzweige. Doch ein paar Dutzend Meter von indischem Bambus – der immerhin aus Israel eingeführt worden war – taten es für diesen Tag der Freude auch.
Atmosphäre Bemerkenswert viele Nicht-Potsdamer hatten sich eingefunden, darunter auch die Berliner Gemeindevorsitzende Lala Süsskind und eine unübersehbare Schar von Chabad-Bocherim, die bereitwillig jedem Unwissenden den Sukkot-Feststrauß und das Schofar auf Englisch erklärten. Im regelrechten Belagerungszustand befand sich bis in die Nacht der Berliner Catering-Service von »LeChaim«, wo diesmal koschere Hähnchen-Spieße, Gulasch, Schokokuchen und Wein das Rennen machten. Für Ronny Dotan aus Tel Aviv, der gerade an der Havel zu Besuch ist, fühlten sich Musik und Atmosphäre »wie in einer Familie« an. Freude und Erleichterung dann auch bei Gemeindevize Mikhail Tkach und Dirigent Ud Joffe, die die Vorbereitungen an wesentlichen Stellen koordiniert hatten. »Das heute war wie ein Brü- ckenschlag«, meinte Joffe, »und im nächsten Jahr machen wir es noch besser.«
Neben Kunst und Kinderspaß gab es aber auch jede Menge Informationen zum begonnenen Synagogen-Projekt. Architekt Jost Haberland, der die internationale Ausschreibung für den Neubau im Frühjahr 2009 gewonnen hatte, und Horst Mentrup, Vorsitzender des Fördervereins »Neue Synagoge Potsdam«, erläuterten Details der Gestaltung. Für den eher sachlich anmutenden Bau, der sich gleichwohl harmonisch in das historische Areal einfügen soll, ist im kommenden Jahr die Grundsteinlegung angesagt. Das Land rechnet mit rund 5 Millionen Euro Baukosten und geht dabei in Vorkasse, doch wird beim gesamten Vorhaben auch viel auf Spendenaktivitäten gesetzt. Noch ist es ein hartes Stück Arbeit bis zur Weihe der Synagoge im Jahre 2012 – es wird das erste jüdische Gotteshaus in Brandenburg überhaupt sein. Vielleicht auch deshalb zeigten prominente Landespolitiker auf dem Straßenfest »Flagge« – wie Finanzminister Rainer Speer und Kulturministerin Johanna Wanka. Brandenburgs Integrationsbeauftragte Karin Weiss war gewohnt optimistisch: »Die Resonanz hier zeigt doch, dass die Potsdamer die Synagoge wollen.«
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