Rechtsextremismus

AfD-Politikerin brachte »Reichsbürger« in Bundestag

Die frühere AfD-Bundestagsabgeordnete Birgit Malsack-Winkemann sitzt in Untersuchungshaft. Foto: picture alliance / Michael Kappeler/dpa

Wie detailliert sich mutmaßliche »Reichsbürger« auf die bewaffnete Erstürmung des Reichstagsgebäudes und die Verhaftung von Regierungsmitgliedern sowie Abgeordneten vorbereitet haben, geben Unterlagen des Bundesgerichtshofs (BGH) preis. Demnach hatte die ehemalige AfD-Bundestagsabgeordnete Birgit Malsack-Winkemann Mitbeschuldigte durch das Regierungsviertel geführt.

Einer der Männer machte Fotos und Videos vom Paul-Löbe-Haus, in dem Büros und Sitzungssäle der Parlamentarier sind, dessen unterirdischen Zugängen zu anderen Gebäuden einschließlich des Reichstags sowie vom Inneren des Plenarsaals des Bundestages. Über die Details aus Beschlüssen zur fortdauernden Untersuchungshaft hatten mehrere Medien berichtet.

Hintergrund sind die Ermittlungen rund um eine Großrazzia in der »Reichsbürger«-Szene Anfang Dezember. Für 22 der Festgenommenen hatte der BGH vor wenigen Wochen die Fortdauer der Untersuchungshaft wegen Bildung einer terroristischen Vereinigung und Vorbereitung eines hochverräterischen Unternehmens angeordnet.

Waffengewalt Die Gruppe um Heinrich XIII. Prinz Reuß als einen der mutmaßlichen Rädelsführer soll vorgehabt haben, das politische System in Deutschland mit Waffengewalt zu stürzen und eine neue Regierung zu installieren. Die Beteiligten hätten auch Tote in Kauf genommen.

Den Planungen zufolge sollten bis zu 16 Menschen das Reichstagsgebäude erstürmen, vornehmlich aus den Reihen aktiver oder ehemaliger Angehöriger des sogenannten Kommando Spezialkräfte (KSK) oder anderer Spezialeinheiten der Bundeswehr und Polizei. Einer der Mitbeschuldigten soll 50 000 Euro beigesteuert haben, um das Vorhaben umzusetzen. Ein anderer verschaffte sich den Angaben zufolge mehrere Hundert Schuss Munition, sechs Gewehrmagazine, Nachtsichtgeräte, Fesselungsmaterial, weitere Militärausrüstung und einen Totschläger.

Malsack-Winkemann führte ihn und weitere Mitbeschuldigte demnach im September 2022 durch das Reichstagsgebäude, zu dem sie als ehemalige Bundestagsabgeordnete noch ungehinderten Zugang hatte und in das sie jederzeit bis zu sechs Menschen mitnehmen konnte. Etwa drei Wochen später war sie erneut mit einem der Männer im Regierungsviertel. Er habe eine Liste mit Namen zahlreicher Mitglieder der Bundesregierung und der bayerischen Staatsregierung sowie von weiteren Politikern, Journalisten und Personen des öffentlichen Lebens erstellt.

Chatnachricht Außerdem habe die Beschuldigte Übersichten über Sitzungswochen des Bundestages für das Jahr 2022 und eine vorläufige Tagesordnung für eine Plenarwoche im September an Mitbeschuldigte versandt - solche Informationen sind prinzipiell frei zugänglich. Ferner habe Malsack-Winkemann eine Chatnachricht verschickt mit Angaben, wo Mitglieder der Bundesregierung zu finden sind: »Die Fuehrungscrew sitzt uebrigens bei den BT-Sitzungen auf der Regierungsbank. Wenn man auf das Rednerpult schaut, auf der linken Seite. Da sitzen sie dann geschlossen. [sic!]«, heißt es im Beschluss des BGH.

Die Bundesanwaltschaft hatte Anfang Dezember 25 Verdächtige in Deutschland, Österreich und Italien festnehmen lassen. Einige von ihnen wurden zwischenzeitlich aus der U-Haft entlassen. Weitere Beschuldigte gerieten nach und nach ins Visier, inzwischen wird gegen mehr als 60 Menschen - überwiegend Deutsche - ermittelt.

»Reichsbürger« und »Selbstverwalter« zweifeln die Legitimität der Bundesrepublik an. Das Bundesamt für Verfassungsschutz geht von rund 23 000 Menschen aus, die dieser Szene angehören. 2021 hätten »Reichsbürger« und »Selbstverwalter« 1011 extremistische Straftaten begangen (2020: 599), heißt es bei der Behörde. Seit 2016 wurden den Angaben nach 1050 waffenrechtliche Erlaubnisse entzogen.

Geständnisse Die Ermittler stützen sich unter anderem auf Videos und Fotos, die sie bei Beschuldigten gefunden haben, auf Observationsmaßnahmen und überwachter Telekommunikation sowie Geständnisse von Verdächtigen.

Auch die ehemalige Berliner Richterin Malsack-Winkemann habe eingeräumt, Mitglied eines sogenannten Rates - dem mutmaßlichen Führungsgremium - und dort für das Justizressort zuständig gewesen zu sein, heißt es in den BGH-Unterlagen. Ferner habe sie bestätigt, bei zwei Gelegenheiten mehrere Mitbeschuldigte durch das Reichstagsgebäude geführt zu haben, wobei diese Fotos und Videos gemacht hätten. Die »terroristische Zwecksetzung« der Gruppierung habe sie jedoch bestritten. Weder sei ein Umsturz noch ein gewaltsames Eindringen in das Reichstagsgebäude geplant gewesen.

Als Folge unter anderem dieser Causa hat der Bundestag im Mai die Hausordnung sowie Zugangs- und Verhaltensregeln geändert: So wurde etwa beschlossen, ehemaligen Abgeordneten nur auf Antrag und nach einer Zuverlässigkeitsüberprüfung einen Ausweis für den Bundestag mit einer Gültigkeit nur für die aktuelle Wahlperiode auszustellen. Die Kontrollen vor der Einfahrt in die Tiefgarage wurden intensiviert. dpa

Brandenburg

Antisemitismusbeauftragter fordert Priorisierung der Bildungsarbeit

Auch die Sicherheit jüdischer Einrichtungen und Menschen müsse gewährleistet werden, sagte Büttner

 10.12.2024

Berlin

Nach dem Sturz von Assad: Wie geht es nun weiter für die syrischen Flüchtlinge in Deutschland?

von Anne-Béatrice Clasmann  09.12.2024

Ausstellung

Projekt zu verlorenen Büchern aus der NS-Zeit erreicht Israel

Ausstellungseröffnung am Montagabend in Tel Aviv

 09.12.2024

Israel

Netanjahu beginnt Aussage in seinem Korruptionsprozess

Die Anwälte des Ministerpräsidenten hatten sich wegen der Kriegszustände in der Region vergeblich um einen längeren Aufschub seiner Aussage bemüht

 09.12.2024

Nahost

Machtwechsel in Syrien: Was wir wissen - und was nicht 

von Martin Romanczyk  08.12.2024

Krieg

Armee rät Dutzenden Soldaten ab, ins Ausland zu reisen

Nach Klagen von israelfeindlichen Gruppen könnten sie Gefahr laufen, verhört oder verhaftet zu werden

von Sabine Brandes  05.12.2024

Meldungen

Preis, Genehmigung, Siedler

Kurznachrichten aus Israel

von Sabine Brandes  03.12.2024

Gemeindebarometer

So geht es uns

Eine Umfrage des Zentralrats zeigt, wie sich Jüdinnen und Juden fühlen – und was ihnen wichtiger geworden ist

von Christine Schmitt  03.12.2024

Berlin

75 Jahre Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit

Am Sonntag wird gefeiert und auch ein neues Buch präsentiert

 30.11.2024