von Karin Katzenberger-Ruf
»Es war eine gute Entscheidung, nach F3 zurückzukehren«, sagt Rabbiner Ernst Stein. F3, so lautet seit zwanzig Jahren die Adresse der jüdischen Gemeinde in Mannheim. Seit 14 Jahren heißt »F3« in der Quadratestadt auch Rabbiner-Grünewald-Platz. 1993 wurde der Synagogenstandort nach dem letzten Rabbiner der Gemeinde vor dem Holocaust, Max Grünewald, umbenannt.
Hier feierte die Gemeinde am vergangenen Sonntag ihr Jubiläum in der für den ehemaligen Oberbürgermeister Gerhard Widder immer noch »schönsten Synagoge von allen«. Der 1987 eingeweihte Bau kostete damals rund 28 Millionen Mark, 10 Millionen steuerte die Stadt bei. Eine gute Investition. Denn längst hat sich der Bau zu einem Begegnungszentrum der Religionsgemeinschaften entwickelt. Die Ökumene wird in Mannheim groß geschrieben.
Die jüdische Gemeinde hat derzeit rund 600 Mitglieder. Die Synagoge sei »Ort lebendigen jüdischen und städtischen Lebens«, sagt der neue Oberbürgermeister Peter Kurz. Er mag die Atmosphäre des Hauses. In seiner Ansprache erinnerte er allerdings auch daran, dass das einst »vom Judentum geprägte Mannheim« in der Nazi-Zeit und im Zweiten Weltkrieg besonders hart getroffen wurde. Politik und Wirtschaft waren durch Vertreibung und Ermordung der jüdischen Bürger weitgehend lahmgelegt, die Stadt nach dem Krieg zu 95 Prozent zerstört. Dass der Neubau der Synagoge im Jahr 1987 – damals besuchte auch erstmals wieder ein israelisches Staatsoberhaupt die Bundesrepublik – so viel Unterstützung erfahren habe, war für ihn ein hoffnungsvoller Neubeginn, betont Kurz.
Doch die Anfänge reichen weiter zurück, erinnert die Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde, Orna Marhöfer, an die Aufbauarbeit nach dem Holocaust. »Unsere respektvolle Hochachtung gilt 50 jüdischen Überlebenden aus Theresienstadt, die noch im Februar 1945 dorthin verschleppt worden waren. Nach der Befreiung Mannheims durch die Amerikaner Ende März 1945 kehrten sie zurück und wagten einen zaghaften Neubeginn jüdischen Lebens in der Stadt«, sagt sie bei der Feierstunde.
Das ehemalige jüdische Waisenhaus wurde damals erstes Gemeindehaus im Quadrat R7, im Jahr 1957 erfolgte der Umzug in die Maximilianstraße. Doch erst 1983 gab es erste konkrete Pläne für den Neubau an dem Ort, wo schon die alte Synagoge stand.
Von Anfang an war die neue Synagoge »ein offenes Haus«. Nicht nur, weil im besagten Quadrat auch Studentenwohnungen, ein katholischer Kindergarten und viele Geschäfte Einzug hielten. Es galt, die christlich-jüdische Zusammenarbeit zu pflegen. Diese ist inzwischen so gut, dass manche etwas neidisch nach Mannheim blicken. So empfindet es jedenfalls Manfred Froese von der gleichnamigen Gesellschaft. Die jüngste »Woche der Brüderlichkeit«, verbunden mit der »Meile der Reli- gionen« habe ihn besonders beeindruckt.
Derweil schätzt der katholische Dekan Karl Jung das Frühlingsfest der jüdischen Gemeinde ganz besonders und überdies religiöse Feiern, die irgendwann beim gemeinsamen Festmahl enden. »Die Schatten der Vergangenheit verbinde ich mit dem Licht der Zukunft«, betont Rabbiner Ernst Stein. Er maße sich zwar nicht an, ein Prophet zu sein, sage der jüdischen Gemeinde in Mannheim aber eine positive Entwicklung voraus und meint rückblickend, er wäre nicht ausgewandert, wenn die Kontakte zu Andersgläubigen in der Nazi-Zeit so gewesen wären wie in den vergangenen Jahrzehnten beziehungsweise wie heute.
Allerdings: Auch nach dem Zweiten Weltkrieg dauerte es wiederum Jahrzehnte bis zum Dialog. Und noch Rabbiner Max Grünewald musste Deutschland dazu ermahnen, das Judentum nicht »wie ein Mausoleum« zu betrachten. Dieser Aufruf ist Teil eines Films, den das regionale Rhein-Neckar-Fernsehen zum 2o-jährigen Bestehen der Synagoge erstellte. Dokumentiert ist dort auch ein gemeinsames Friedensgebet von Juden und Christen im Jahr 1991 zu Beginn des Golfkriegs.
»20 Jahre jüdisches Zentrum in Mannheim machen Mut«, ist Gerhard Widder überzeugt. Und doch gehört er zu jenen, die zum »Aufpassen« ermahnen, weil Antisemitismus immer wieder aufflammt. Für eine friedliche Stadt sehe er jüdische, christliche und muslimische Gläubige gern in gemeinsamer Verantwortung, betont der ehemalige Bürgermeister.
Schon seit 1988 begann das jüdische Gemeindezentrum mit einer intensiven Jugendarbeit und klärt seither über jüdische Feiertage, Traditionen oder über den Staat Israel auf. Inzwischen gilt die Öffnung der jüdischen Gemeinde für Andersgläubige als beispielhaft. Deshalb ist Orna Marhöfer stolz darauf, dass sich das Zentrum am Rabbiner-Grünewald-Platz zu einem kulturellen Mittelpunkt in Mannheim und in der ganzen Region Rhein-Neckar entwickelt hat.
Zur Feierstunde gehörte neben der Musik mit Oberkantor Raffaele Polani, dessen Gesang mit dem Flügel und mit der Geige begleitet wurde, eine Talk-Runde unter Regie von Sascha Spataru, Chefredakteur des Rhein-Neckar-Fernsehens. Fragen aus dem Publikum gab’s nicht.