von Harald Neuber
Mit zum Teil harscher Kritik haben Opferberatungsstellen und Oppositionsparteien auf einen Entwurf des Bundesfamilienministeriums zur Bekämpfung des Rechtsextremismus reagiert. Besonders in den östlichen Bundesländern wird ein Rückgang der Mittel für dauerhafte Programme gegen rechte Gewalt befürchtet. Statt eine langfristige Garantie für die antirassistische Arbeit zu geben, setzt die Bundesregierung auf die Einrichtung sogenannter Kriseninterventionsteams. Sie sollen im Ernstfall für zwei bis drei Monate an den Ort rechtsradikaler Gewalt entsandt werden. Experten bezweifeln den Nutzen dieses Ansatzes.
Dabei hatte Berlin zunächst Unterstützung für die Basisarbeit vor Ort signalisiert. Nachdem die rechtsextreme NPD Mitte September vergangenen Jahres in den Landtag von Mecklenburg-Vorpommern eingezogen war, wurde das bundesweite CIVITAS-Programm zur Bekämpfung der extremen Rechten um ein halbes Jahr verlängert. Ursprünglich sollte es Ende 2006 auslaufen. In der Debatte um den Bundeshaushalt wurde schließlich sogar eine Aufstockung der Mittel für »Beratungsnetzwerke« von 19 auf 24 Millionen Euro beschlossen. Ende Januar dann kam die Überraschung. Der Staatssekretär im Bundesfamilienministerium, Gerd Hoofe, versandte den Entwurf für ein neues Programm »gegen Rechtsextremismus, Fremdenfeindlichkeit und Antisemitismus« an die Landesjugendbehörden. Ziel der künftigen Arbeit ist es demnach, »anlassorientiert, unmittelbar und mit klarer zeitlicher Begrenzung« zu reagieren. Damit werde »weniger Wert auf Prävention gelegt«, sagte Wolfgang Nossen, Vorsitzender der Mobilen Beratung gegen Rechtsextremismus in Thüringen (Mobit) der Nachrichtenagentur dpa. Die für die dauerhafte Arbeit der Mobit vorgesehenen Gelder reichten nicht mehr aus, um die Infrastruktur aufrechtzuerhalten. Das Konzept des Familienministeriums, so heißt es in einem Positionspapier des Thüringer Vereins, stehe zudem »im Gegensatz zu den Ergebnissen der wissenschaftlichen Begleitung des CIVITAS-Programms« aus den vergangenen Jahren. Diese Untersuchungen hätten ergeben, dass zivilgesellschaftliche Strukturen vor allem dort gefestigt werden konnten, wo es gelungen sei, lokale Netzerke aufzubauen. Sei dies nicht mehr gegeben, »so verkommt Krisenintervention zur reinen Feuerwehrpolitik«.
Auch die Grünen-Bundestagsabgeordnete Monika Lazar übte scharfe Kritik an der Vorlage des Bundes. Diese missachte den Willen des Parlamentes, »mit dem neuen Fünf-Millionen-Programm bewährte Beratungsstrukturen gegen Rechtsextremismus zu erhalten«. Mit ihrem »eigenmächtigen« Vorgehen versuche die Bun- desregierung offenbar, den Beratungsnetzwerken eine reguläre Existenzsicherung vorzuenthalten«. Ähnliche Kritik kam von der Linkspartei.
Indirekt bestätigt das Familienministerium die Befürchtungen. Bestehende Strukturen sollten zwar integriert werden, hieß es in einer ersten Reaktion auf die Kritik an dem Entwurf. Allerdings könne der Bund nicht dauerhaft Projekte gegen Rechtsextremismus und Fremdenfeindlichkeit vor Ort fördern. In der Verantwortung für eine dauerhafte Struktur stünden allein die Länder.
Hanno Schäfer, ein Sprecher des Ministeriums, zeigte sich auf Nachfrage »erstaunt« über die Aufregung der Opferberatungsstellen. Durch das Konzept werde die Arbeit der Gruppen vor Ort gewährleistet, sagt er. Es ginge nicht darum, Leute, die eine gute Arbeit gemacht hätten, auf die Straße zu setzen. »Und schließlich«, so Schäfer weiter, »reden wir über ein Konzept, das wir ja gerade verschickt haben, um es zu diskutieren.« Änderungen seien daher nicht ausgeschlossen.
Bei Mobit wird diese Gesprächsbereitschaft positiv bewertet. »Uns geht es vor allem darum, den zivilgesellschaftlichen Ansatz der Arbeit zu bewahren«, erklärt Stefan Heerdegen von Mobit. »Wir sind an die Öffentlichkeit gegangen, weil wir uns völlig übergangen fühlten«, so Heerdegen. Der kritisierte Programmentwurf des Familienministeriums sei schließlich »ohne jede Konsultation mit den Beratungsgruppen« an die Landesbehörden versandt worden. Unverständlich sei vor allem, dass in dem Papier wissenschaftliche Ergebnisse ignoriert werden, die im Rahmen der CIVITAS-Projekte der vergangenen Jahre gewonnen wurden. Wenn nun aber von den Bundesstellen das Gespräch gesucht werde, so Heerdegen, dann diene das allen Seiten.