von Elke Wittich
Joel Lion muss nicht lange nachdenken. Die Couscous-Zubereitung mit Alfred Biolek und dem sächsischen Ministerpräsidenten Georg Milbrandt war eines der beeindruckendsten Erlebnisse der zurückliegenden Jahre, sagt der scheidende Leiter der Abteilung Öffentlichkeitsarbeit in der israelischen Botschaft. Bei der Kochshow anlässlich des 40. Jahrestages der deutsch-israelischen Beziehungen sei es ausgesprochen lustig zugegangen. »Das war ein gutes Beispiel für Völkerverständigung.«
Nun ziehen Joel Lion und seine Frau Rivka mit ihren sechs Kindern nach Israel. Es sei eine schöne aber gleichzeitig auch schwierige Zeit gewesen. »Ich habe einen ganzen Ordner mit Hassbriefen«, sagt er und zitiert aus einigen Schreiben, die die im rechten wie im linken Spektrum übliche Mischung aus Antisemitismus und Palästinenser-Unterstützung enthalten. Die Vorurteile, glaubt Lion, entstünden oft aus Unkenntnis über Israel, dem einzigen demokratischen Land im Nahen Osten. Sein Land stehe Europa politisch wie gesellschaftlich viel näher, als der Durchschnittsdeutsche ahne.
Wäre die Situation nicht einfacher, wenn Israel Geld in eine Imagekampagne stecken würde? »Nein«, sagt Lion entschieden. Selbst wenn genügend Finanzmittel vorhanden wären, um Werbung zu machen, wäre dies der falsche Weg. Eine Diktatur könne für ein besseres Image bezahlen, aber »wir sind eine freie, offene Gesellschaft und entsprechend sind Journalisten frei in ihrer Berichterstattung«. Viel wichtiger sei es, die Ursachen für die politische Situation zu erklären. Deshalb müsse in Aufklärung investiert und mit Lehrern, Schulen und den Kultusministerien zusammengearbeitet werden, betont Lion. Eines der wichtigsten Anliegen sei ihm gewesen, den deutschen Jugendlichen ein realistisches Bild von Israel zu vermitteln. Vorurteile gebe es reichlich in Deutschland, sagt Lion. Zusammen mit jüdischen Prominenten wie dem Soap-Darsteller Shai Hoffmann hat er mehr als 100 Schulen besucht und dort über Israel und seine Menschen berichtet. Das Unwissen, das er dort bei den Schülern häufig vorfand, schockierte ihn immer wieder. Beispielsweise würden mehr als 90 Prozent der Schüler denken, dass es sich bei Israel um eine Militärdiktatur handele. Allein in Sachsen habe er sich mit mehr als 3.000 Jugendlichen getroffen und deren Fragen beantwortet. »Sind die Juden ein Volk?«, wurde er gefragt, und »ist Jude ein Schimpfwort?« Wenn die jungen Menschen erst einmal verstanden hätten, dass das Judentum etwas Besonderes sei, nämlich eine »Ethno-Religion«, dann verstünden sie auch, warum die Juden ein Volk mit dem Recht auf einen eigenen Staat seien, sagt Lion. Er hofft, dass auch sein Nachfolger diese Aufklärungsarbeit in Schulen fortsetzen wird.
Lion selbst wird, wie im diplomatischen Dienst üblich, erst einmal wieder ins israelische Außenministerium zurückzu kehren, wo der 43-Jährige 1993 als Kadett seine diplomatische Karriere begann. Zuvor studierte er in Jerusalem Politikwissenschaften. Aber auch eine Ausbildung zum Rabbiner hat Lion absolviert und zeigt damit, dass ein gläubiger Jude seine religiösen Pflichten mit den beruflichen Verpflichtungen vereinbaren kann.
Drei Jahre, bis 1999, war er an der Botschaft seines Landes in Riga akkreditiert. Schon als kleiner Junge hatte er davon geträumt, ein israelischer Diplomat zu werden. Nicht, um die weite Welt zu sehen, sondern um den Staat Israel im Ausland zu vertreten und ihm zu dienen. In Frankreich geboren, wuchs Joel Lion in Luxemburg auf, wo sein Vater einen Textilhandel betrieb. Volljährig verließ er Luxemburg und meldete sich freiwillig zum Dienst in der Zahal.
Die ganze Familie Lion freut sich auf Israel. Für seine Frau ist das Leben im Ausland nicht immer einfach gewesen, so der Diplomat. »Sie hat ein großes Opfer für mich gebracht. Rivka ist aus Brasilien immigriert und sagt manchmal ironisch, dass sie kam, um in Israel zu leben und nicht, um in der Welt umherzuziehen«, sagt Lion. Er könne das nachvollziehen. Für jemanden, der in der Diaspora aufgewachsen ist, sei Israel ein wichtiger Teil seiner jüdischen Identität. Bei deutschen Juden habe er sehr oft erlebt, dass sie auf der Suche nach dieser jüdischen Identität seien. Ihnen dabei zu helfen, sei ihm wichtig gewesen.