von Wladimir Struminski
»Eretz Nehederet« – zu deutsch: ein wunderbares Land – ist die beliebteste politische Satiresendung im israelischen Fernsehen. Und wie kein anderer geriet Dan Chalutz immer wieder ins Visier der Parodisten. Überheblich und zynisch in seinem Luftwaffen-Overall mit der forschen Attitüde eines Kampfpiloten auf jeden und alles herabblickend – so stellten die Parodisten den Generalstabschef dar. Chalutz selbst durfte über die boshaften Spitzen vom Gipfel seines Erfolgs milde lächeln. Nicht nur hatte er seit Sommer 2005 den wichtigsten Militärposten des Landes inne. Vielmehr war sein Einfluß unter der Regierung Olmert weiter gestiegen, da weder Verteidigungsminister Amir Peretz, noch Ministerpräsident Ehud Olmert über nennenswertes militärisches Wissen verfügten. Da ist es kein Wunder, daß Chalutz bereits als künftiger Regierungschef gehandelt wurde.
Damit ist es jetzt vorbei. Wenn der Armeechef zum Gegenstand von Spekulationen wird, so betreffen diese den voraussichtlichen Termin seines Rücktritts. Der Grund für Chalutz‹ tiefen Fall ist der katastrophale Ausgang des Libanonkrieges. Aus der Sicht der meisten Bürger hat die Armee unter der Führung ihres Generalstabschefs so gut wie nichts ausgerichtet. Während die Israelis im Landesnorden noch immer unter Schockeinwirkung stehen, zeigt die Hisbollah wieder Flagge im Südlibanon und denkt nicht daran, sich ihrer Raketen oder anderer Waffen zu entledigen. Auch Militärexperten finden kein gutes Wort über die Armeeführung. Im Libanon, so der Strategiefachmann Reuwen Pedatzur, hätten die israelischen Streitkräfte keinen bloßen Rückschlag, sondern eine vernichtende Niederlage erlitten. Die Armee, klagt der angesehene Militärkommentator Zeev Schiff, sei von der Hisbollah auf dem falschen Fuß erwischt worden.
Ein Hauptpunkt der Kritik an Chalutz: Bei seiner Kriegsplanung habe sich der Ex-Pilot übermäßig auf die Luftwaffe verlassen. »Wie es scheint, hat Chalutz Olmert und Peretz bei Beginn des Konflikts davon überzeugt, der Krieg lasse sich aus der Luft gewinnen«, glaubt Efraim Inbar, Direktor des BESA-Zentrums für Strategische Studien an der Bar-Ilan-Universität. Die Bodenoffensive, so Generalmajor Udi Adam, Befehlshaber der Wehrbezirks Nord, sei zu spät angeordnet wurden. Wäre sie gleich zu Beginn der Kampfhandlungen erfolgt, hätte die Armee bessere Ergebnisse erzielt. Als oberster Befehlshaber, forderte die liberale Tageszeitung Haaretz, müsse Chalutz die Verantwortung für das militärische Versagen übernehmen und seinen Posten räumen.
Dabei ist es nicht so, daß Chalutz kein guter Soldat wäre. Als Oberkommandierender der Luftwaffe in den Jahren 2000 bis 2004 hatte er die Einsatzfähigkeit der Luftstreitkräfte durch den massiven Einsatz unbemannter Flugzeuge sowie eine Aufwertung der Kampfhubschrauber deutlich verbessert. Damit konnte er einen wichtigen Beitrag zur Eindämmung des palästinensischen Terrors mit Hilfe gezielter Liquidierungen leisten. Das Amt des Generalstabschefs war für ihn aber, wie es scheint, eine Nummer zu groß.
Vollends untendurch war Chalutz als bekannt wurde, daß er am Mittag des 12. Juli, wenige Stunden nach der Entführung von zwei israelischen Soldaten durch die Hisbollah und unmittelbar vor Beginn der israelischen Militäroperation im Libanon, ein Wertpapierdepot von umgerechnet 27.000 Euro verkaufte. Der Zeitpunkt war gut gewählt: Nach Ausbruch der Kämpfe purzelten die Aktien an der Tel Aviver Börse nach unten. Ein Verstoß gegen das Börsengesetz liegt zwar nicht vor. Dennoch behaupten Kritiker, Chalutz habe sein Amt grob mißbraucht, indem er sein Wissen als Armeechef für eine private Investitionsentscheidung genutzt habe. Diesen Vorwurf bestreitet der Top-Militär vehement. Am fraglichen Tag habe er seine Sekretärin bereits um 7 Uhr 30, also noch vor der Entführung gebeten, ihn mit der Bank zu verbinden. Das habe die Vorzimmerdame aber erst um 12 Uhr 30 geschafft. Chalutz‹ Version ließ die Kritiker nicht verstummen. Offenbar trauen Chalutz‹ Landsleute ihrem Generalstabschef das schlaue Börsenmanöver zu.