von Gil Yaron
Rund 80.000 israelische Polizisten und Ge-
heimdienstbeamte atmeten am vergangenen Freitag erleichtert auf, als Papst Benedikt XVI. in ein Flugzeug stieg und das Heilige Land nach einer fünftägigen Pilgerreise wieder verließ. In einer der größten Einsätze der Staatsgeschichte hatten sie dafür zu sorgen, dass der historische Besuch des deutschen Pontifex reibungslos verlief. Von dem fast totalen, mehrtägigen Zusammenbruch des Verkehrs in Jerusalem abgesehen, war ihnen das auch gelungen. Und in der EL-AL-Maschine musste die Delegation aus dem Vatikan froh gewesen sein, den überaus heiklen Besuch im Nahen Osten ohne größere Pannen hinter sich gebracht zu haben. Un-
gleich zum Besuch seines Vorgängers Jo-
hannes Paul II., der in Israel besonders herzlich empfangen wurde, machte die Visite Benedikts keine Geschichte.
Benedikts Ausgangsposition war dabei von Anfang an schlechter als die seines Vorgängers. Von der Wiederaufnahme schoaleugnender Bischöfe in die katholische Kirche, über die Billigung der alten Version der Karfreitagsfürbitte: Dem Papst wurde hier in Israel schon vor dem Antritt seiner Reise viel vorgeworfen.
Auch das Umfeld der Reise trug zur Un-
lust der Israelis bei. Johannes Paul II. kam zur Blüte des Friedensprozesses nach Is-
rael. Seine lang im Voraus geplante Reise war in den Augen vieler Israelis die Krönung eines Normalisierungsprozesses, er war der Vorbote einer offenen Welt und großer Touristenströme. Benedikt hingegen kam in den Nahen Osten, um alte Risse zu kitten, nicht, um neue Prozesse zu beginnen. Er brachte nicht wie Johannes Paul II. 47.000 Pilger aus aller Welt mit sich, sondern nur knapp 10.000, die die vielen Herbergen der israelischen Hauptstadt nicht annähernd füllten.
Drei Ziele verfolgte die hastig geplante Reise des Papstes. In erster Linie war sie der Stärkung der Christen im Nahen Os-
ten gewidmet, ein Ziel, dem der jüdische Staat Israel eher gleichgültig gegenüber-steht. Das zweite Ziel des Papstes, den Frieden im Nahen Osten näherzubringen, wird man auf israelischer Seite kaum ernst genommen haben. Bleibt das dritte Ziel, den Dialog zwischen den Religionen, und vor allem die Bindung zum Judentum, zu fördern. Auch wenn Präsident Schimon Peres auf der Verabschiedungsrede Benedikt dafür lobte, dass er auf diesem Feld viel Positives beigetragen habe, scheint der Besuch eher einen Rückschlag ausgelöst zu haben. Dabei war der Auftakt beim feierlichen Empfang am Flughafen anfangs positiv. Unmissverständlich verurteilte der Papst den Antisemitismus und forderte dazu auf, ihn zu bekämpfen. Doch nicht alle waren erschienen, um Benedikt zu empfangen. Rabbiner und Minister der religiösen Schas Partei hatten die Zeremonie auf Anweisung ihres geistigen Führers, des Rabbiners Ovadia Josef, boykottiert.
Von hier stolperte Benedikt in den größten Eklat seiner Reise, dem Besuch und die Rede in der Schoa-Gedenkstätte Yad Vashem. So machte er einen großen Bogen um die Ausstellung im Museum, die seit Jahren Zankapfel in den Beziehungen zwischen Israel und dem Vatikan ist. Sie stellt die Rolle von Papst Pius XII. in ein kritisches Licht, während der Vatikan den in Israel als »Hitlers Papst« bekannten Geistlichen hingegen heiligsprechen will.
Benedikts Worte in der Gedenkhalle von Yad Vashem lösten große Enttäuschung aus. Wie der Vorsitzende des Rates von Yad Vashem, Oberrabbiner Meir Lau, sagte, habe Benedikt XVI. zwar eine schöne, aber unzureichende Rede gehalten. Der deutsche Papst hatte im Gegensatz zu seinem Vorgänger keine persönliche Note in die Rede einfließen lassen und sein eigenes Bedauern nicht zum Ausdruck gebracht. Die Rolle der Deutschen ließ Benedikt einfach aus. Besonderen Ärger löste seine Wortwahl aus: »Ich bin gekommen, um in Stille vor diesem Denkmal zu stehen, das zur ehrenvollen Erinnerung an die Millionen in der schrecklichen Tragödie der Schoa getöteten Juden errichtet wurde.« Lau erwiderte darauf: »Die Juden sind nicht getötet, sondern ermordet worden. Außerdem waren es sechs Millionen.« Befremdend mutet auch der Ausdruck »Tragödie« an. Denn als »tragisch« bezeichnete der Papst auch die Trennmauer, die Israel zum Schutz vor palästinensischen Attentaten im Westjordanland errichtet hat.
Kurz vor seiner Abreise versuchte der Papst, den schlechten Eindruck zu korrigieren. Am Flughafen bezeichnete er den Besuch in der Jerusalemer Holocaust-
Gedenkstätte als einen der »feierlichsten Augenblicke meiner Reise«. Er betonte er-
neut Israels Existenzrecht und das Recht auf ein Leben ohne Terror.
Der Papstbesuch wird in Israel nur wenig dauerhaften Eindruck hinterlassen. Höchstens einen leicht bitteren Nachgeschmack, denn der deutsche Papst Joseph Ratzinger hat auf die Gelegenheit, hier Ge-
schichte zu machen, schlicht verzichtet.