Sarah Poewe

»Aber ich bin doch nichts Besonderes«

von Martin Krauss

Erfolgreich kann man den Auftritt von Sarah Poewe bei den Olympischen Spielen nicht gerade nennen. »Ich bin überhaupt nicht zufrieden«, sagt die deutsche Schwimmerin. Als Europarekordhalterin war die 26-jährige Poewe nach Peking gereist, doch mit einer für sie sehr schlechten Zeit und gerade mal auf Platz 20 schied sie ausgerechnet auf ihrer Paradedisziplin über 100 Meter Brust schnell aus. Außerdem verlor sie ihren Europarekord, im 200-Meter-Rennen fehlte sie ganz, und auch die 4 x 100-Meter-Lagenstaffel verpasste mit der Brustschwimmerin Sarah Poewe das Finale.
Vier Jahre lang hat sie zweimal täglich trainiert, bis zu sechs Stunden war sie jeden Tag im Wasser. Es waren Poewes dritte Olympische Spiele. 2000 trat die gebürtige Kapstädterin noch für Südafrika an, da wurde sie im Finale über 100 Meter Brust Vierte. 2004 hatte sie dann eine von niemandem so recht beachtete Premiere – Sarah Poewe war die erste Jüdin, die nach 1936 für Deutschland antrat und eine olympische Medaille gewann: Bronze mit der 4 x 100-Meter-Lagenstaffel. »Ja, das habe ich auch gelesen«, sagt Poewe und lacht. »Ich soll die erste und einzige Jüdin in einer deutschen Nationalmannschaft sein. Wenn das wirklich wahr ist, wäre das eine große Ehre. Aber ich glaube es nicht.«
Poewes Mutter Lorraine ist eine Jüdin aus Südafrika, ihr Vater Rainer ist ein Protestant aus Deutschland, der nach Kapstadt auswanderte. In ihrer Kindheit verbrachte Sarah Poewe drei Jahre bei der Großmutter in Kiel, daher spricht sie perfekt Deutsch, Englisch und Afrikaans. »Die Religion ist für mich etwas sehr Persönliches«, sagt Poewe. »Ich glaube nicht, dass sie mich zu dem macht, was ich bin. Ich respektiere die Überzeugungen anderer. Aber für mich ist sie nicht von großer Bedeutung. Natürlich ist ein Teil von mir jüdisch. Aber ich bin nichts Besonderes. Ich glaube nicht, dass ich etwas Besseres bin, nur weil ich jüdisch bin.«Mittlerweile ist Sarah Poewe Weltbürgerin auf drei Kontinenten: Manchmal lebt sie in Kapstadt bei ihrer Familie, wo sie auch trainiert. Manchmal, wenngleich seltener, trifft man sie bei ihrem deutschen Verein an, SG Bayer Wuppertal, mit dem sie gerade den Vertrag verlängert hat. Meistens jedoch hält sie sich in den USA auf, wo sie an der University of Georgia in Athens »Speech Communications« studiert. »Das ist eine Kommunikationswissenschaft, die auch viel mit Sport zu tun hat. Ich will später für Medien arbeiten.«
Seit 2002 schwimmt Poewe für die deutsche Nationalmannschaft. »Es gibt ein paar Gründe, warum ich gewechselt habe«, erklärt sie. »Man wird in Deutschland als professionelle Sportlerin respektiert. Außerdem sind wir ein starkes Team, eine Macht in Europa, und es macht mehr Spaß, in solch einem starken Team zu starten.« Dass sich die deutschen Schwimmer in Peking nicht gerade als erfolgreiche Mannschaft präsentiert haben, wird an ihrer Entscheidung, weiter für Deutschland zu starten, nichts ändern. »Ich habe hier schließlich auch tolle Leute kennengelernt, zum Beispiel Antje Buschschulte, mit der ich sehr gut befreundet bin.«
Sieht man vom schlechten sportlichen Abschneiden ab, ist Poewe mit den Olympischen Spielen sehr zufrieden. »Peking fand ich super. Die Organisatoren hatten sich klasse vorbereitet, das hat alles Spaß gemacht.« Die Schwimmwettbewerbe fanden in der ersten Woche der Spiele statt, danach hatte Poewe noch viel Zeit, Olympia zu genießen: »Ich war beim Tischtennis-Finale der Mannschaft, wo unsere Jungs Silber holten. Ich war bei den Leichtathleten und beim Wasserball. Außerdem habe ich die Stadt angeguckt: die chinesische Mauer, die verbotene Stadt. Das war toll.«
Politische Kritik an China will Poewe nicht hören. »Die Olympischen Spiele sind für die Sportler da. Die haben vier Jahre auf dieses Ereignis hin trainiert.« Doch Sarah Poewe ist nicht unpolitisch. Sie engagiert sich im Team Darfur, eine Sportlervereinigung, die sich für ein Ende des Blutvergießens im Sudan einsetzt. »Weil ich in Südafrika, einem Land der Dritten Welt, aufgewachsen bin, umgeben von obdachlosen, hungernden Menschen«, begründet sie auf der Website von Team Darfur ihr Engagement.
Vorstellen kann sich Sarah Poewe, dass sie bei der Makkabiade antritt. »Ich wurde ja schon mal eingeladen«, erzählt sie. Nicht der deutsche Makkabi-Verband, sondern die israelischen Organisatoren hätten sie angesprochen. »Aber es hat zeitlich nicht hingehauen.« Die Saison einer Weltklasseschwimmerin ist mit Wettkampfterminen vollgepackt »Wenn es terminlich klappt, würde ich gerne kommen. Die Makkabiade soll ja ein tolles Ereignis sein.«

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