Abenteuer auf zwei Rädern
Radler leben gefährlich: Jetzt soll mehr für ihre Sicherheit getan werden
Der achtjährige Jonathan blickt seinen Vater, der gerade den Helm aufsetzt, mit ungewohnter Sorge an. »Abba, pass auf dich auf«, bittet der Knirps. Jonathans Vater rückt nicht in den Krieg aus. Er will lediglich Rad fahren. Und das kann schön gefährlich sein.
Gefahrensituationen kennt jeder Radfahrer. Da sind Schabbatfahrten noch relativ sicher. Unter der Woche, so der Vorsitzende des Radfahrerverbandes, Yoni Yarom, radelt man auf Israels Straßen erst recht unter Lebensgefahr. Davon weiß David ein Lied zu singen: Er fährt auf dem Drahtesel jeden Morgen 13 Kilometer zu seinem Arbeitsplatz im Jerusalemer Regierungsviertel. Zwar bleibt er auf relativ sicheren Nebenstraßen, doch hilft auch das nicht immer. Eines Tages wurde der Arbeitnehmer bei Jerusalem von einem großen Jeep bedrängt. »Ich hatte die Wahl, mich überfahren zu lassen, in den Abgrund zu stürzen oder vor einen Baum zu fahren«, erinnert er sich. »Ich wählte den Baum«. Es folgten zwei Monate im Krankenbett.
Allerdings ist die Rücksichtslosigkeit der Autofahrer nicht der einzige Risikofaktor. Die Lebensgefahr rührt auch von einer unterentwickelten Infrastruktur her. Radwege an Überlandstraßen sind im jüdischen Staat ebenso ein Fremdwort wie in den meisten Städten. Es gibt nur wenige Ausnahmen, allen voran den Trendsetter Tel Aviv. Das Ergebnis: Rund sieben Prozent der Tel Aviver Arbeitnehmer ziehen das Rad dem Pkw und dem Bus vor – für israelische Verhältnisse ein Spitzenwert.
Radsportler hoffen auf bessere Tage. Die Knessetabgeordneten Gilad Erdan und Dow Chanin wollen durchsetzen, dass an jeder neuen Straße ein Radweg gebaut wird. Der Wirtschaftsausschuss der Knesset hat jüngst die ausbleibenden Investitionen in den Radwegbau gerügt. Ökonomisch, so Yarom, wären sie die beste Investition: Für wenig Geld ließe sich damit die Belastung der Umwelt und der Wirtschaft durch endlose Kfz-Schlangen reduzieren.
Vor diesem Hintergrund vielleicht erstaunlich: Die Zahl der Radler, die von ihren mit Autos bewaffneten Landsleuten getötet werden, geht zurück. Waren vor fünf Jahren 35 Radfahrer im Verkehr getötet worden, so ging diese Zahl 2006 auf 13 zurück. Das ist jedoch, so Verbandsvorsitzender Yarom, kein Verdienst der Autofahrer.
»Angesichts der hohen Unfallzahlen ha-
ben die Radfahrer ein höheres Bewusstsein für ihre persönliche Sicherheit entwickelt und nehmen sich in Acht.« Zum Beispiel durch Flucht in Habitate, in denen es weniger gefährlich ist: Rund 90 Prozent der bis 100.000 Israelis, die regelmäßig Rad fahren, so eine Schätzung, toben sich inzwischen auf Mountainbikes im Gelände aus.
Wladimir Struminski