geschichte
30 Millionen Dokumente
Das NS-Archiv in
Bad Arolsen öffnet sich für die Forschung
Das NS-Archiv des Internationalen Suchdienstes (ITS) in Bad Arolsen ist zur Öffnung seiner Datenbank für die historische Forschung bereit. Die Digitalisierung der größten Opferkartei der Welt sei fast abgeschlossen, die Daten könnten weitergegeben werden, sagte der Chef des ITS, Reto Meister. Die Jahresversammlung des Internationalen Ausschusses für den ITS hatte am 15. Mai in Amsterdam Zugangsregeln für die Forschung beschlossen. Bislang hatten nur unmittelbar Betroffene Zugang zu den Akten. Der Internationale Suchdienst des Roten Kreuzes wurde 1943 in London gegründet. Seit 1946 hat er seinen Sitz in der hessischen Kleinstadt Bad Arolsen. Das Archiv untersteht heute elf Staaten. Italien, Griechenland, Luxemburg, Belgien und Frankreich müssen den Be- schluss zur Öffnung noch ratifizieren. Deutschland, Israel, die Niederlande, Polen, Großbritannien und die USA haben dies bereits getan. Die Öffnung wird für diesen Herbst erwartet.
Das Archiv in Arolsen verwaltet mehr als 30 Millionen Dokumente über Verbrechen und Opfer des Nationalsozialismus. In fünf Gebäuden lagern Akten – 26.000 laufende Meter: SS-Unterlagen, Suchkarten, Geburts- und Sterbeurkunden, Namenskarteien, Häftlingsbriefe, Fotos sowie die weltweit größte Datensammlung über die sogenannten Displaced Persons. Unter den Dokumenten befindet sich auch »Schindlers Liste«, die durch den gleichnamigen Film von Steven Spielberg bekannt wurde. Die Leidenswege von über 17 Millionen KZ-Häftlingen, Zwangsarbeitern, Vertriebenen und Displaced Persons sind hier dokumentiert. Der Etat des Suchdienstes von jährlich 14 Millionen Euro wird vollständig von der Bundesregierung getragen.
Bereits im Mai 2006 hatten die elf Vertragsstaaten beschlossen, die Daten für die Forschung zugänglich zu machen. Im März dieses Jahres hatte das US-Abgeordnetenhaus eine rasche Öffnung des NS-Archivs gefordert und eine entsprechende Resolution verabschiedet. (Vgl. Jüdische Allgemeine vom 29. März.) Die Bundesregierung begrüßt die Öffnung des NS-Archivs. »Deutschland unterstreicht mit seinem Engagement für die Archivöffnung sein großes Interesse an der Aufarbeitung der Vergangenheit«, betonte der Staatsminister für Europa, Günter Gloser (SPD). Auch international ist der Beschluss zur Öffnung auf Zustimmung gestoßen. Die israelische Holocaustgedenkstätte Yad Vashem zeigt sich vor allem über die digitale Verbreitung der Archivbestände erfreut. »Yad Vashem ist bereit, eigenes Knowhow zur Verfügung zu stellen, um die Digitalisierung benutzerfreundlich zu gestalten«, sagte der Vorsitzende der Gedenkstätte, Avner Schalev.
Bis heute wurden in Bad Arolsen 11,6 Millionen Anfragen von Betroffenen oder deren Angehörigen und Nachkommen beantwortet. Allein im Jahr 2006 gingen dort 244.364 Anfragen aus 61 Ländern ein. Historiker können künftig Kopien der Unterlagen einsehen, in der Regel in elektronischer Form. Die Nutzer müssen sich verpflichten, persönliche Informationen vertraulich zu behandeln.