von Christine Schmitt
»Bei Safta. Kaffee,Tee und Kuchen« verspricht das handgeschriebene Plakat, das gleich am Eingang der Jüdischen Oberschule Berlin hängt. »Safta ist hebräisch und heißt übersetzt Großmutter«, sagt Niggi, Schülerin der 13. Klasse, die das Café mit organisiert hat. Zwei Wörter, zwei Sprachen. »Aber wir reden hier alle deutsch miteinander«, meint sie vergnügt. Immerhin absolvieren sie auch ein deutsches Abitur. Es ist Tag der offenen Tür in der Großen Hamburger Straße, und mehrere hundert Interessierte sind gekommen.
Stimmen auf dem langen Gang. »Hier sehen Sie den Computerraum und ein bißchen weiter die Bibliothek«, erklärt eine Schülerin. Sie und noch einige andere Schüler bieten Führungen durch die Räume an. Eltern, Großeltern und Besucher hören aufmerksam zu und tauschen sich dann in ihrer jeweiligen Muttersprache aus.
In welcher Sprache unterhalten sich die Schüler an der Jüdischen Oberschule? Das wollten die Repräsentanten bei ihren jüngsten Versammlungen genauer wissen. Vorausgegangen war ein Vorfall an der Schule, bei dem eine Lehrerin, gerade aus Israel gekommen, von Schülern auf russisch beschimpft wurde. Sie hatte kein Wort verstanden. Am nächsten Tag kam der Vater eines Mitschülers und teilte mit, was die Schüler gesagt hätten und beschwerte sich darüber.
Daraufhin kursierte das Gerücht, daß nur noch deutsch an der Oberschule gesprochen werden dürfe. Eindeutig hatte sich die Vorsitzende des Schulausschusses, Jael Botsch-Fitterling, auf der Repräsentantenversammlung dazu geäußert. Nein, eine solche Vorschrift gebe es nicht, auch wenn die Umgangssprache im Unterricht und den offiziellen Bereichen an der Schule eben deutsch sei. »Um die Verständigung aller am Schulleben Beteiligten zu gewährleisten und jegliche Ausgrenzung zu verhindern, ist die deutsche Sprache Unterrichts- und Begegnungssprache im Geltungsbereich der Schulordnung«, so zitiert Barbara Witting, Leiterin der Schule, den entsprechenden Paragraphen aus der Schulordnung. Diesen Beschluß hatte die Schulkonferenz, die sich aus Lehrern, Eltern und Schülern zusammensetzt, schon im vergangenen Schuljahr gefaßt, sagt Barbara Witting. Und zwar einstimmig. Deshalb gilt, wenn zwei Lehrer oder Kinder sich auf beispielsweise russisch unterhalten und ein dritter hinzukommt, der kein Russisch kann, soll deutsch gesprochen werden. Das unterstützt auch der Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde zu Berlin, Gideon Joffe. »Es ist unhöflich, in die Muttersprache zu verfallen, wenn ein Anwesender sie nicht spricht.«
»Wir wollen uns ja untereinander verstehen«, sagt Uwe Jacobs, stellvertretender Schulleiter. Ein Sprachverbot habe es jedoch nie gegeben. Es sei aber auch Auftrag der Schule, Deutsch so oft wie möglich zu üben. 380 Kinder und Jugendliche aus 18 verschiedenen Nationen drücken an der Großen Hamburger Straße 27 die Schulbank. Sie kommen aus Ländern wie Norwegen, Vietnam, England, Israel, Frankreich, Luxemburg, Rußland und Kasach- stan. Von 39 Lehrern stammen fünf aus Rußland, und fünf weitere sind ebenfalls nichtdeutscher Herkunft, sagt Peter Sauerbaum, Dezernent für Bildung, Wissenschaft und Kultur in der Jüdischen Gemeinde.
Mailina sitzt im Hebräisch- und Religionsraum vor einer Spendenbox. Ihre zehnte Klasse will in den nächsten Osterferien nach Israel fahren und braucht Geld. Sie erzählt, daß Französisch, Englisch oder Russisch auf dem Stundenplan stehen und jeweils als Leistungs- oder Grundkurs gewählt werden können. Hebräisch sei hingegen Pflicht für alle. »Mich stört es überhaupt nicht, wenn andere Sprachen auf dem Schulhof gesprochen werden«, sagt die Schülerin. Überwiegend werde sich sowieso auf deutsch unterhalten. Anders sieht es Rina Otterbach, Lehrerin für Religion und Hebräisch. Sie habe die Erfahrung gemacht, daß gerade in den vergangenen Wochen aus Trotz und Provokation das Höflichkeitsgebot gebrochen wird und in der Muttersprache weitergesprochen werde – auch wenn ein dritter hinzukomme. »Die Diskussion über die Sprache ist erledigt«, meint hingegen die Geschichtslehrerin Julia Pähler. Die Aufregung sei vorbei.
Solange Deutsch Unterrichtssprache ist und das Abitur anerkannt wird, sei es ihr egal, in was für einer Sprache sich auf dem Pausenhof ausgetauscht werde, meint Helena Nick. Sie nutzt den Tag der offenen Tür, um zu sehen, ob es die richtige Schule für ihr Kind sein könnte. Im Chemieraum hat sie sich die zündenden Experimente angeschaut, ein Frage- und Antwortspiel in Biologie absolviert, in vielen ausgelegten Unterrichtsbüchern geblättert und Kaffee und Kuchen »Bei Safta« genossen. »Gefällt mir«, lautet ihr Kommentar kurz und knapp.