von Eva C. Schweitzer
Michael R. Bloomberg sieht wahrhaftig aus wie der Bürgermeister der Welt. Der grauhaarige, nicht allzu hochgewachsene Stadtchef von New York steht auf einer provisorischen Bühne im Central Park, um sich Kollegen aus London und Melbourne, São Paolo und Tokio, Mumbai und Rom, Bangkok und Johannesburg. Sie beraten über Klimaschutz, Energiesparen, globale Erwärmung, kurz, all das, wofür das Weiße Haus sich nicht interessiert. Warum dann, will ein Reporter wissen, brennen mitten am Tag die Laternen im Central Park? Kurze Wisperpause. »Meine Presseleute sagen, sonst würde das Mikrofon nicht funktionieren«, meint Bloomberg, und fügt verschmitzt hinzu. »Vielleicht stimmt das auch gar nicht – aber es ist eine schlagfertige Antwort.« Dann die Frage, die alle bewegt: Will Bloomberg 2008 als Präsident der USA kandidieren? Nun lächelt er in einer Weise, die nahelegen soll, schon die Idee mache ihn ungeduldig. »Heute geht es um Umweltschutz«, sagt er. »Das ist doch viel wichtiger.«
Nicht für New York. Kandidiert er, oder kandidiert er nicht, fragen sich hier viele. Und: Hat der 64-Jährige eine Chance, der erste jüdische Präsident des Landes zu werden? Zwar hat Bloomberg selber noch keine offizielle Bewerbung angekündigt. Aber das Gewisper hört nicht auf. Zuletzt meldete die Washington Times, Bloomberg plane eine Kampagne, für die er bis zu einer Milliarde Dollar ausgeben wolle. Das wäre selbst in Amerika, wo ein Wahlkampf inzwischen hundert Millionen Dollar kostet, eine Menge Geld. Allerdings: Geld ist das geringste Problem. Der Gründer des Finanzdienstleisters Bloomberg L.P. hat ein Vermögen von fünf bis zehn Milliarden Dollar. Und an eisernem Willen fehlt es auch nicht. Michael R. Bloomberg ist gewohnt, sich zu erkämpfen, was er will.
Seine Karriere begann Bloomberg, nachdem er mit 24 Jahren die Harvard Business School verließ, bei der Investmentbank Salomon Bros. Als er dort gefeuert wurde, baute er mit seiner Zehn-Millionen-Dollar-Abfindung sein eigenes Imperium auf, mit Merrill Lynch als Partner. Bald überholte er Reuters und Dow Jones. Heute arbeiten bei Bloomberg TV, Bloomberg Radio, Bloomberg Magazines, Bloomberg News und Bloomberg.com 8.000 Angestellte in 125 Ländern, die Firma hat 26.000 Klienten, vor allem Investmentbanker. Bloomberg ging in den Aufsichtsrat des Metropolitan Museum of Art, des Lincoln Centers, des Jüdischen Museums an der Fifth Avenue und in den seiner Alma Mater, der Johns Hopkins University, die er alle großzügig unterstützte. Dann beschloss er, Bürgermeister von New York zu werden.
Das schaffte er, indem er Geld, sehr viel Geld – 74 Millionen Dollar – in den Wahlkampf steckte. Damals galt er noch vielen als zu undiplomatisch, zu direkt. Er machte lose Sprüche über Konkurrenten, nach Frauengeschichten befragt, sagte er einmal: »Ich bin Single, Milliardär in Manhattan. Es ist wie ein feuchter Traum.« Aber er überzeugte letztlich durch Effizienz. Er schaffte quasi das Rauchen ab, sanierte den mit sechs Milliarden Dollar verschuldeten Stadthaushalt, ließ U-Bahnen sanieren und Parks säubern. Als Nächstes will er eine Million Bäume pflanzen lassen, alle Taxis auf Hybrid umrüsten und mit einer Citymaut den Verkehr eindämmen. Nach dem streitsüchtigen Giuliani schaffte Bloomberg überdies Frieden im ethnisch segregierten New York: Er lernte Spanisch, er lud schwarze Führer ins Rathaus ein, er besuchte Chinatown und die Bronx. Denn Diskriminierung ist Bloomberg nicht fremd. Als sich seine Familie ein Haus in Massachusetts kaufte, musste sein Vater einen irischen Anwalt als Strohmann einschalten, weil der Besitzer nicht an Juden verkaufen wollte.
Heute ist Bloomberg der beliebteste Bürgermeister seit Fiorello La Guardia; drei Viertel der New Yorker stehen hinter ihm. Aber bevor er die Wasser für die ganzen USA testen kann, gibt es noch ein paar Fragen zu klären, allen voran: Für welche Partei möchte Bloomberg eigentlich Präsident werden? Der Bürgermeister ist Republikaner, allerdings erst, seit er das höchste Amt New Yorks anstrebte. Als Demokrat hätte er sich in den Vorwahlen gegen fünf oder sechs Mitbewerber durchsetzen müssen, als Republikaner war er konkurrenzlos. Im Alltagsgeschäft ist von seiner Parteizugehörigkeit aber wenig zu spüren, viele der Commissioners, der Stadträte, die er ernannte, sind Demokraten.
Ob ihn die Republikaner aber wollen, ist weniger klar. Zwar ist keiner der Kandidaten, die heute hoch gehandelt werden, der Basis allzu genehm – John McCain ist zu alt, Giuliani ist mit zwei gescheiterten Ehen und seinen Auftritten auf Schwulenparaden und Tuntenbällen zu umstritten, Mitt Romney ist Mormone, und sein Lieblingsautor ist L. Ron Hubbard. Bloomberg jedoch ist für Konservative viel zu liberal. Der Bürgermeister hat sich für das Recht auf Abtreibung und die Schwulenehe ausgesprochen, und er hat in New York das strengste Waffenkontrollgesetz der USA durchgesetzt.
Bloomberg könnte als Parteiloser antreten, aber er ist selbst skeptisch, was das betrifft. »Wie kann ein 1 Meter 65 großer, geschiedener jüdischer Milliardär aus New York als Unabhängiger eine Chance haben?«, sagte er der Washington Post. Als Parteiloser ist schon Ross Perrot gescheitert, der Ölmilliardär aus Dallas. Wohl deshalb macht noch ein weiteres Gerücht die Runde: Bloomberg, so mutmaßt Howard Fineman von Newsweek, suche einen Weg, mit Al Gore zusammenzuarbeiten, dem unerklärten Spitzenkandidaten der Demokraten. Denn für beide ist Umweltschutz das Thema der Zukunft. Dritter im Bunde könnte Arnold Schwarzenegger sein.
Bloomberg, im Central Park danach befragt, gibt sich auch hier ausweichend. »Ich schätze Al Gore sehr«, sagt er. »Und ich unterstütze seine politischen Ziele.« Aber wie, das lässt er offen. Gleich darauf hat er seinen nächsten Umweltgipfel. Mit dem früheren Präsidenten Bill Clinton. Sie wollen dafür sorgen, dass Städte weltweit Energie sparen. Mit oder ohne das Weiße Haus. Aber wohl am liebsten im Weißen Haus.