von Elke Wittich
Vermutlich wissen nur die wenigsten der rund 200 Gäste des von der WIZO (Women’s International Zionist Organisation) ausgerichteten International Songfestivals, dass sie sich an einem musikalisch historischen Ort befinden: In dem Gebäude an der Köthener Straße nahmen ab 1976 zahlreiche internationale Superstars wie U2, David Bowie und Depeche Mode Platten auf.
Erwartungsfroh drängelt man sich an mit Plattencovern geschmückten Stehtischen und wartet voller Spannung auf die Playback-Auftritte.
Im Bühnenbereich des Meistersaals sieht es genauso aus, wie man sich das vom Künstlerbereich des European Song Contests vorstellt. Die Teilnehmer sitzen entspannt auf den Sofas und unterhalten sich, trinken ein Glas Wein, rauchen hastig eine Zigarette oder informieren die Kinder daheim darüber, dass es gleich losgeht.
Lee Wiener und Melanie Hubermann warten backstage mit den anderen Künstlern auf ihren Auftritt. Die beiden Frauen haben sich für den Song »No scrubs« von TLC entschieden und erzählen, wie sie mit Hilfe der Choreografin die dazu passenden Tanzschritte gelernt haben.
Aufgeregt seien sie nicht, sagen die beiden, denn »es sind ja viele Freunde im Saal, die uns anfeuern werden«. Und denen man eine gute Show zeigen möchte. »Halbe Sachen«, so Lee, »mag ich nicht. Wenn man etwas tut, dann sollte es schon ordentlich sein, es geht ja schließlich um WIZO.«
Lena Vigodski, Gabriele Klinowski und Veronica Pohle-Gleser, die den Hit »Voulez Vous« aus dem Film »Moulin Rouge« performen werden, sind nervös. Wirklich nervös? »Nein, wir haben Lampenfieber, das klingt professioneller«, erklären sie. Wie sich das Lampenfieber äußert? Na wie wohl? »Schweißausbrüche, kalte Hände, Angst von der Bühne zu fallen, zu stolpern und natürlich Drang nach Alkohol«, lachen die Frauen. Und behalten gleichzeitig die Konkurrenz im Auge, die sich gegenseitig die Schultern mit Make-up eincremt.
Henry Brauner wird gerade als Indianer geschminkt. Klar habe er als kleiner Junge öfters mal Wilder Westen gespielt. »Aber das ist schon lange her«, lacht er. Brauner ist ein Song-Contest-Veteran. »Vor 20 Jahren gab es schon mal einen, da habe ich damals auch mitgemacht.« Gemeinsam mit Freunden wird Indianer Brauner den Village-People-Hit »YMCA« performen. Eigentlich, erklärt Narziß Margulies, »ist es das falsche Lied«, denn die Abkürzung steht für Young Men’s Christian Association, also Christlicher Verein junger Männer. »Na, dann treten wir eben auf der nächsten Purim-Party als junge jüdische Männer mit dem Titel YMJA auf«, grinst er.
»Der Spaßfaktor muss stimmen, das Training war trotzdem ganz schön anstrengend«, erzählt Ariel Abaew. »Muskelkater hatten wir nicht, eher einen schweren Kopf, weil man sich ja doch eine Menge Schritte merken muss.«
»Noch zehn Minuten«, verkündet die WIZO-Vorsitzende Michal Gelerman, und jetzt werden selbst die Village People ein bisschen nervös. Edi Vigodski, Boris Shrage, Lary Gelerman, Daniel Klinowski und Alexander Rosenkranz bemühen sich dagegen, ganz cool zu wirken, schließlich verkörpern sie an diesem Abend die Blues Brothers. Zwei Monate lang, »eindeutig zu wenig«, haben die Männer geübt.
Nun wird es ernst. Conferenecier Jori Padowicz kündigt zunächst die außer Konkurrenz startenden WIZO-Allstars an, die passenderweise zum Titel »Hey, big spender« posieren. Dann machen sich ein Indianer, ein Bauarbeiter, ein Rocker, ein Cop und ein Cowboy auf den Weg zur Bühne. »Lasst es krachen«, fordert das Publikum und genau das tun die Männer bei ihrem Auftritt.
Krachen lässt es auch Dana International, ein Traum in Gold mit ziemlich muskulösen Oberarmen. Sie gehören Rosario Nagero, der keine Sekunde lang gezögert hat mitzumachen. »Zum einen, weil ich es schön finde, jemanden darzustellen, der etwas bewegt hat. Und zum anderen, weil ich gern Israel unterstützen möchte.«
Nach TLC und John Travolta – dargestellt von Jossi Adlersztejn in einer richtungsweisenden Interpretation von »Saturday Night« als Stehtanz – rocken die Blues Brothers den Meistersaal. Am Ende der Performance fliegen die schwarzen Filzhüte ins Publikum. Das wirft Rosen zurück und die Zuschauer an den mit bunten Landesfahnen geschmückten Tischen sehen sich langsam mit einem schwierigen Problem konfrontiert: Wen soll man denn nun zum Lieblings-Act wählen? »Eigentlich waren sie ja alle gut«, seufzt man unisono – entsprechend spannend wird die Auswertung. Die Männer machen schließlich das Rennen, die Village People gewinnen vor den Blues Brothers und Dana International.
»Wir schweben auf Wolke Nummer 18«, lacht Michal Gelermann am Ende über die erfolgreiche Veranstaltung. Deren Erlös wird in Zusammenarbeit mit dem israelischen Oberrabbinat für die Bar- und Bat-mizwa-Feiern bedürftiger Kinder verwendet, deren Familien sich sonst keine Feiern leisten könnten.